Allgemein, Politik, Schulleben

Ein Wort zur Wahl der Schulsprecher*innen und warum wir sie nicht akzeptieren können

Ein anonymer Beitrag aus der Oberstufe der Fichtenberg-Oberschule zur Wahl der Schulsprecher*innen am 12.09.2018.
Eine kurze Antwort des Schulleiters findet sich am Ende des Artikels.

Der Begriff der Demokratie stammt, wie es jeder*m Bürger*in bekannt sein sollte, aus dem Griechischen und bedeutet nicht mehr oder weniger als „Volksherrschaft“. Diese wurde in den vergangen 2000 Jahren gerne einmal durch Menschen ersetzt, die sich zu autoritären Herrschern aufschwangen, Gruppen, die, als Minderheit, einen Staat zu führen versuchten, sogar menschrechtsverachtende Mehrheiten, die den Willen der Untertanen als wenig notwendiges Kriterium für ihre Machtausübung oder gar ihre Entscheidungsprozesse ansahen. Anstelle dessen suchten sie göttliche, ideelle oder historische Legitimationen für ihre Position an der Spitze des „Volkes“. Aber sie suchten solche Gründe. Mit der Phase der Aufklärung, ihrer Formulierung der Menschenwürde und -rechte durch das Naturrecht, des Menschens Autonomie usw., wurde es zunehmend schwieriger für die Herrscher ihre Macht in anderem, als dem mehrheitlichen Volkswillen, zu legitimieren. Der Wille nach Partizipation zur Gestaltungsmöglichkeit, damals natürlich, wie jedoch auch noch heute, vordergründig zur Schaffung von Gerechtigkeit, wie auch immer man diese verstand, wenn auch zunächst auf einer subsistenziellen Ebene, wuchs immer weiter bis Revolutionen die Ordnung aufbrachen – mehr oder weniger nachhaltig. Die Theoriebildung für die Systematisierung der Demokratie dividierte sich in zwei Felder – direktdemokratische Vorstellungen sowie solche, die Repräsentant*innen Interessen vertreten lassen wollten. Dieses hat Deutschland, dieses hat unsere Schule zu ihrem Modus der Entscheidungsfindung gemacht. Es scheint als sei es unter den gegebenen Umständen unumgänglich diesen zu erläutern, denn die Wahl der Schulsprecher*innen des 12.09.2018 widersetzt sich seinen grundlegenden Strukturen in alarmierendem Maße.

Die Schüler*innenvertretung setzt sich aus den Abgeordneten der einzelnen Jahrgänge zusammen. Diese werden unabhängig von einander gewählt, mit dem Zweck der demographischen Durchmischung. Warum ist hier keine Wahl für alle, wie bei der Schulsprecher*innenwahl, vorgesehen? Zwar kann über die Argumentsgültigkeit gestritten werden, jedoch entspricht sie einem wichtigen Ziel einer Demokratie – dem Minderheitenschutz. Der Politiker Franklin, ein wichtiger Vertreter dieser Herrschaftsform, sah den Menschen in seinen Grundrechten als gleich, in seinen Interessen und Möglichkeiten jedoch als individuell und verschieden an. Darum müsse die Möglichkeit zur Interessensvertretung ermöglicht werden. Gleiche Startbedingungen im „Wahlkampf“, selbe finanzielle Voraussetzungen und jede andere Form der Chancengerechtigkeit müssten vorhanden sein, sonst könne kein fairer Wettbewerb zwischen den sogenannten Partikularinteressen stattfinden. Was abwegig klingt, ist in der Schule mindestens so relevant wie für den Staat, das Objekt der Theorie selbst. Die Relevanz demographischer Divergenzen kann herbei und wegargumentiert werden, sicher ist, dass es diese gibt. Außerdem darf nicht ausgeschlossen werden, dass ältere Lernende lauter und durch ihre chancenungerechten Voraussetzungen durchsetzungsfähiger sind. Das ist nicht immer so, jedoch nichts weiter als die Empirie der Politik. Das heißt es wird beobachtet, um sich wiederholenden Muster effektiv, ohne wichtige Grundregeln allzu sehr zu beschneiden, zu entledigen. Das tut der Staat im Bundesrat durch die Ländervertretung, weil er annimmt, dass sich so mehr Interessen, die für relevante Gruppengrößen bestehen, im Diskurs wiederfinden lassen. Wir machen das durch unsere Klassensprechenden. Auf diese hat nur die Klasse wählerischen Einfluss, folglich sind sie an ihre Interessen im Besonderen gebunden, mitsamt ihrer Abstimmungsautorität, auch wenn ihnen das freie Gewissen Leitlinie ist.

Aber Teil der Theorie, die ebenfalls in der Schule umgesetzt wurde, ist die Installation einer „Regierung“, die die Vertretungen organisiert, die Tagesordnung festlegt und zu Abstimmungen bittet bzw. diese vorbereitet. Ihre Lenkung ist für die Arbeit der Vertretung damit durchaus wichtig. Außerdem bildet sie in der Schule eine wichtige Ansprechpartnerin für Schülerschaft, Lehrkörper, Schulleitung und außerschulische Gruppierungen. Sie ist in der Schule von Bedeutung, weil sie Akzente setzt, die die Ausrichtung der politischen Vertretung, in Form von Arbeitskreisen, oder die „Außenpolitik“ prägen. Aufgrund dieser hohen Wichtigkeit entscheidet man sich, diese gesamtheitlich wählen zu lassen. Aber was ist denn nun eine Wahl, was braucht sie?

Wahl heißt, „den besten Menschen, für sich, für den Job heraussuchen“ und ihm eine Stimme geben. So weit so einfach. Aber es ist effektiv die einzige Mitbestimmungsmöglichkeit für die Schüler*innen, für ein ganzes Jahr. Ja, es mag sein, dass wir über eine „offene“ GSV verfügen, de facto, auch hier wieder empirisch gedacht, ist das dorthingehend unwirksam, als dass viele diese Gelegenheit nicht ergreifen. Umso wichtiger ist die Wahl für die Schüler*innenschaft. Aber auch auf der anderen Seite ist diese bedeutsam, denn sie ist die Herstellung der Anerkennungswürdigkeit der GSV und seines Vorsitzes. Diese ist nur gegeben, wenn die Wahl ordnungsgemäß abläuft. Ordnungsgemäß?

Wie vorhin angesprochen bewerben sich alle Parteien, im Idealfall chancengerecht, um sich zu profilieren. Aber auch für den Wählenden ist das essenziell. Es ist obligatorisch zu kennen, wer am ehesten eigene Interessen vertritt, anderenfalls kann man von seinem Recht der Interessensvertretung keinen Gebrauch machen. Ich konnte das nicht, da der Wahlgang nicht transparent war! Ich konnte es nicht, weil sich mir niemand vorstellen wollte, und das ging der gesamten Oberstufe, einem Drittel der Schüler*innenschaft so! Wer die Kandidat*innen nicht kennt, muss sie suchen, ohne ein Bild von ihnen, ohne Werbezettel, um sie zu identifizieren. Es erwächst ein unverhältnismäßiger Kraftakt, der notwendig wäre, um sich ein Bild von der „Lage“ machen zu können. Wer nimmt diesen schon auf sich, frage ich mich – kaum jemand, wage ich gleichzeitig zu behaupten. Aus diesem Grund halte ich den Vorsitz der GSV für nicht legitimiert, er ist nicht demokratisch gewählt, da eine wichtige Essenz der Beteiligung fehlt – das Wissen über das, was denn überhaupt zu entscheiden ist, welches Wahlprogramm, welche Personen, auf einer leistungsfähigen Ebene, zu wählen sind. Dieses Manko ist unabdinglich, es ist nicht zulässig!

Da es im Besonderen die Oberstufe trifft, ist die Frage offen, ob hier eine Diskriminierung auf politischer Ebene stattgefunden hat. Eine demographische Gruppe wird absichtlich übergangen. Diskriminierung sieht Alter als Kategorie vor. Diese Missachtung des Partizipationsrechts ist nicht nur nicht zulässig und undemokratisch, es ist auch noch diskriminierend!

Aber auch der Wahlvorgang an sich ist das. So schreiten demnach zwei Personen mit Listen durch die Räume, teilen winzige Zettel aus und sammeln sie per Hand ein, schauen sie sich an und brechen damit abermals deutsches Wahlrecht. Die allgemeine, gleiche, freie und eben geheime Wahl muss alle vier Komponenten abdecken, um gültig zu sein. Meine war das nicht, denn die Person, die meinen Zettel entgegennahm, hat ihn sich angesehen. Darüber hinaus wird ein Wahlzwang verursacht. Der Gang zu den Menschen prüft deren Wahlbereitschaft, übt wie bei der Einsicht des Zettels Druck aus, verfälscht damit möglicherweise das Ergebnis und muss zu einer Ungültigkeit der Wahl führen. In jedem Fall ist die Wahlfreiheit nicht gegeben.

Ich habe einen ungültigen Zettel verursacht und bin gespannt, wer das genauso getan hat. Schließlich legitimiert sich eine repräsentative Demokratie über Volksmehrheiten. Was aber passiert, wenn 50, 100 oder noch mehr nicht korrekte Zettel abgeben? Logisch, die Aussagekraft der Wahl sinkt und die Gewählten vereinen weniger Interessent*innen hinter sich.

Für eine Schule mit politischem Profil ist so eine Wahl vollkommen unwürdig und auf demokratisch-staatsrechtlicher und -philosophischer Ebene absolut untragbar. Die GSV ist gefordert über eine Missachtung der Abstimmung zu befinden!

Antwort des Schulleiters:
„Die Schülersprecher*innenwahl wird nicht wiederholt, da der Vorwurf, dass diese undemokratisch gelaufen sei, unbegründet ist. Ich teile Eure Kritik in Bezug auf die fehlende persönliche Vorstellung der Kandidaten. Allerdings hat ein Team seit dem zweiten Schultag per Aushang und Instagram über seine Ziele informiert. Demokratie bedeutet auch, dass das mündige Volk in der Pflicht ist sich zu informieren bzw. Informationen einzufordern. Dies hätte der 12. Jahrgang VOR der Wahl tun können. Wenn angetretene Kandidaten das Wahlvolk nicht informieren, bleibt dem Volk immer das Mittel der Wahl anderer Kandidaten.“