Eine Rezension von Melina Charokopaki (Q3).
Berichte von und über Juden im Nationalsozialismus gibt es einige – und doch ist keiner wie der andere. Mit keiner großen Erwartungshaltung ging ich an „Versprich mir, dass du am Leben bleibst“ heran und wurde positiv überrascht. Der autobiografische Roman von Isaak Behar handelt von einem solchen jüdischen Schicksal. Behar selbst erzählt die Geschichte seiner glücklichen Kindheit und seines weiteren Lebens als illegaler Jude in Berlin, nachdem seine Eltern und beide Schwestern 1942 deportiert wurden. Von da an schlägt er sich allein durch und schafft es – dank einer großen Portion Glück und vielen wohlwollenden Helfer*innen – die Kriegsjahre zu überleben.
Der Roman ist in 14 Kapitel unterteilt, die alle mit Namen wie „Inge“, „Hans“ und „Betty“ betitelt sind. Diese Namen stehen für wichtige Menschen, die ihm geholfen haben, oder Phasen in Isaaks Leben. Besonders auffällig ist dabei, dass sowohl das erste, als auch das letzte Kapitel mit „Isaak“ betitelt sind. Dies hat vermutlich den Grund, dass der Autor von seiner Identität ausgeht, diese jedoch im Laufe der Geschichte oft verheimlichen oder ändern muss, um zu überleben. Schließlich, einige Namensänderungen später, kann er jedoch endlich zu sich selbst zurückfinden und seine wahre Identität anerkennen. Dieser strukturelle Zusammenhang lässt das Buch beim Lesen besonders rund wirken und hinterlässt den*die Leser*innen mit einem zufriedenstellenden Gefühl.
Bezüglich des Schreibstils lässt sich sagen, dass sich das Buch sehr leicht und schnell lesen lässt, ohne den Inhalt zu verharmlosen. Zu Anfang hegte ich die Befürchtung, ein Stoff über das schwere Thema des Nationalsozialismus könnte zäh und mühsam zu lesen sein, doch es stellt sich heraus, dass das Gegenteil der Fall ist. Man kann sich den Autor durch den Schreibstil gut vorstellen und sich in ihn hineinversetzen, was in Anbetracht der Tatsache, dass das Buch sämtliche Altersstufen umfasst, eine beachtliche Leistung ist. Sowohl den Berichten über das Kindesalter, als auch aus dem Erwachsenenleben Behars, konnte man gut folgen.
Dennoch werden die Auswirkungen der Zeit deutlich und manbekommt durch die Augen des Autors zahlreiche geschichtliche Ereignisse mit. Dabei fühlt es sich jedoch nicht wie die Lektüre eines Geschichtsbuches an, sondern vielmehr als lausche man den Erzählungen eines Freundes, oder erlebe es gar selbst. Die Atmosphäre Berlins zu Kriegszeiten wirkt sehr authentisch und durch Details, wie die Verwendung von Begriffen wie „Göbbelsschnauze“ wirkt das ganze sehr lebendig.
Es besteht kein Zweifel, dass die Ereignisse geschichtlich korrekt geschildert werden und da es sich um eine Autobiografie handelt, beinhaltet die Geschichte keinerlei fiktive Elemente. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass es eine subjektive Erzählung aus den Augen eines 19-Jährigen ist. Auf den letzten Seiten des Romans kommt allerdings der Autor in seinem gegenwärtigen Zustand zu Wort und erzählt, weshalb er seine Geschichte immer wieder aufrollt und mit anderen teilt. Dabei erklärt er, es sei für ihn von Bedeutung, an die Geschehnisse zu erinnern und die Verstorbenen, insbesondere seine Familie, zu würdigen. Das finde ich besonders gelungen, da er noch mal reflektiert und an den Aspekt der Geschichtskultur erinnert, den man bei einem so locker erzählten Roman leicht vergisst. Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass Isaak Behar im Vergleich zu anderen Juden*Jüdinnen mit einem vergleichsweise milden Schicksal gesegnet ist, obgleich das Leben als „U-Boot“ natürlich nicht zu unterschätzen ist.
Dennoch kann ich abschließend sagen, dass es sich um eine gut erzählte Geschichte handelt, die einem dieses schwierige geschichtliche Thema verständlich nahebringt und eine*n zum denken anregt, ohne zu schwerfällig zu sein. Durch Isaak Behars Apell am Ende geht auch der geschichtskulturelle Aspekt nicht unter und verleiht dem Roman einen runden Abschluss. „Versprich mir, dass du am Leben bleibst“ ist also durchaus weiterzuempfehlen!