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„Der geteilte Himmel“ (Rezension)

Ein Beitrag von Lucie Frahm (Q4).

„Der geteilte Himmel“ ist eine Erzählung von Christa Wolf, die im Jahr 1963 erschien. Sie handelt von der jungen Rita Seidel und ihrem älteren Freund Manfred Herfurth, deren innige Liebesbeziehung an ihren unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorstellungen scheitert.

Die Geschichte spielt in der DDR kurz vor dem Mauerbau und ist aus der Perspektive Ritas geschrieben, die nach einem Betriebsunfall aus der Ohnmacht erwacht und im Anschluss auf die zwei gemeinsamen Jahre mit Manfred zurückblickt.

Detailliert werden in der Erzählung die Folgen des Aufeinandertreffens eines hochmütigen, kühlen Mannes und eines tief empfindsamen, jungen Mädchens beschrieben. Beide lernen durch die andere Person, die Welt mit einer neuen Sichtweise zu betrachten. Rita, die den Großteil ihres bisherigen Lebens in einem kleinen Dorf verbracht hat, wagt den Schritt zum Umzug in die Stadt Halle, wo sie mit dem Ziel Lehrerin zu werden ein Seminar besucht sowie in einem Waggonbauwerk arbeitet. Gemeinsam mit Manfred, der beruflich als Chemiker tätig ist, wohnen sie bei dessen Eltern. Mit der Zeit gewinnt Rita, die zunächst ziemlich eindimensional als emotional schwach wirkender Charakter dargestellt wird, an Selbstvertrauen und findet sich in ihrem neuen Leben ein. Manfred lernt immer mehr, sich Rita gegenüber zu öffnen, und vertraut ihr seine innersten Gefühle und Sorgen an. Trotz wachsender Verbundenheit bekommt die Beziehung der beiden im Laufe der Zeit starke Risse, als sich ihre unterschiedlichen Meinungen über das sozialistische Gesellschaftssystem herauskristallisieren. Während Rita insgesamt einen starken Glauben an die Gesellschaft der DDR hegt, steht Manfred der Regierung von Ostdeutschland äußerst skeptisch gegenüber, was ihn zur Flucht nach Westberlin veranlasst. Inmitten der zurückblickenden Beschreibung der Geschehnisse wird auch im Präsens von Ritas Regenerierung nach dem Unfall erzählt.

Christa Wolf verbildlicht in ihrem zeitgenössischen Roman die Uneinigkeit über die unterschiedlichen Gesellschaftssysteme Sozialismus und Kapitalismus im damaligen Deutschland. Wolf setzt hierbei bei ihren Leser*innen eine Grundkenntnis über die damaligen Geschehnisse vor dem Mauerbau voraus. Obgleich die Autorin eine bekannte Persönlichkeit der DDR war, liest sich ihr Roman keineswegs wie eine stumpfe Propagierung des Sozialismus. Primär wird in dem Buch vielmehr die emotionale Verbindung von Rita und Manfred beschrieben. Dies gelingt auf geschickte Weise, da das Paar zu Beginn des Buches bereits endgültig durch den Mauerbau getrennt ist und im Verlaufe der rückblickenden Erzählung nach und nach die Gründe für das Scheitern der Beziehung deutlich werden.

Auffällig an der Erzählung ist, dass Wolfs Erzählart stellenweise stark an die Verklärung des Realismus erinnert. So meidet sie in ihrer Geschichte bestimmte unschöne Details, und deutet beispielsweise nur vage an, dass Ritas „Betriebsunfall“ ein Selbstmordversuch aus Verzweiflung gewesen ist. Somit wird der Erzählung stellenweise ein etwas beschönigender Charakter verliehen.

Ebenfalls erwähnenswert ist die von der Autorin verwendete (Natur-)Symbolik, die die Wendungen in den Empfindungen der Charaktere symbolisiert und an die Gefühls- und Naturverbundenheit der Epoche des „Sturm und Drang“ erinnert. Zwar verbildlicht Wolf die Emotionen der Charaktere meist durchaus gekonnt, manchmal wirken ihre allzu bedeutungsschwangeren Sprachbilder jedoch etwas gezwungen. „Nur wir beide schaukeln noch auf den Wellen, ganz allein in einem sehr zerbrechlichen Kahn“, so berichtet Manfred Rita eines Nachts von einem seiner Träume.

Insgesamt gelingt es der Autorin trotz des teilweise etwas schwülstigen Charakters ihrer Beschreibungen, ein emotionales Bild vom damaligen Zeitgeist zu zeichnen. Folglich kann ich jeder Person, die an einer Darstellung der in Deutschland herrschenden Mentalität in der Zeit um den Mauerbau interessiert ist, empfehlen, einen Blick in dieses Buch zu werfen.