Abi - und was dann?, Allgemein

Chaos im Kopf, aber es fügt sich am Ende schon

Ein Beitrag von Hannah Kotlan, Abiturientin der Fichtenberg-Oberschule im Jahrgang 2018-19.

Hi, ich heiße Hannah, bin 20 Jahre alt und schreibe in diesem Artikel über meine Zeit nach dem Abitur, welches ich auf der der Fichtenberg-Oberschule im Jahr 2019 gemacht habe.

Also als Erstes habe ich mich natürlich total gefreut, als ich endlich mein Abitur in der Hand hatte. Denn das Abi war das, worauf ich zwei Jahre hingearbeitet hatte. Davon hatten alle immer gesprochen. Ich war auch schon 19 Jahre alt, als ich mein Abitur machte. Mit 16 war ich ein Jahr im Ausland und habe dadurch ein Jahr in Deutschland wiederholen müssen. Das fand ich aber nie schlimm. Ich hatte Englisch LK bei Frau Galinski und SW LK bei Frau Kalis. Beide Fächer haben mir sehr viel Spaß gemacht.

Also stand ich dann auf der Bühne bei unserer Abi-Verleihung und dachte nur: „Jetzt habe ich mein Abitur. Toll… und jetzt?“

Die meisten meiner richtigen Freunde hatten alle 2018 schon ihr Abitur gemacht, studierten schon oder reisten durch die Welt und ich stand hier in Berlin auf dieser Bühne und war total planlos. Ich hatte das Gefühl ich würde nicht hinterherkommen, dass ich zu langsam war, weil ich jetzt erst, mit 19 Jahren mein Abitur in der Hand hielt, und ich hatte das Gefühl, Dinge außerhalb dieser Schulwelt zu verpassen.

Aber verpasste ich überhaupt etwas?

Eigentlich war das mein Leben und als ich im Ausland war, waren meine Freunde hier in Berlin in der Schule und ich hatte halt einfach andere Erfahrungen gesammelt als sie. Das war die erste Erkenntnis für mich nach dem Abitur. Jetzt verändert sich mein Leben. Die Schulzeit ist vorbei. Mein Leben lang hatten meine Freunde und ich etwas gemeinsam: Die Schule. Plötzlich war das nicht mehr der Fall.

„Okay“, habe ich also gedacht, „jetzt gehe ich meinen eigenen Weg. Das ist mein Leben. Endlich darf ich es gestalten und so leben wie ich es will. Das ist doch, was man sich sehnlich wünscht, wenn man noch vor den Klausuren steht.“ Aber so einfach war es dann doch nicht, denn was ist der richtige Weg? „Und was will ich eigentlich? Was möchte ich aus meinem Leben machen?“

Es erschien mir plötzlich so, als wüssten alle Menschen in meinem Umfeld exakt, was sie aus ihrem Leben machen wollten, aber ich nicht. Selbst die, die erstmal weg wollten, reisen, die Welt sehen, wussten wenigstens das. Aber ich wusste gar nichts. Ich hatte nur das Gefühl, alles über mir bricht zusammen und mein ganzen Leben ergibt keinen Sinn mehr. Ich war auch ziemlich gut in der Schule, hatte viele Freunde und bin viel Party machen gegangen oder habe Sport gemacht. Mein Leben hat mir immer gefallen. Aber nach dem Abitur nicht mehr . Es kam mir so wenig lebenswert vor, ohne einen Plan, ohne ein Ziel. Ich war extrem planlos plötzlich und das kannte ich von mir nicht.
Das Problem war, dass ich nichts an meiner Lebenssituation ändern konnte, weil ich ja einfach nicht wusste, was ich wollte, also was ich jetzt aus meiner Freizeit machen wollte. Ich hatte ganz komische Launen und Stimmungsschwankungen, obwohl man meinen könnte, mit meinen 19 Jahren wäre ich schon älter und reifer als die, die mit 17 Jahren das Abitur machen. Aber das hier ist meine ganz persönliche Story. Und egal, ob du 17, 18 oder 19 Jahre alt bist, wenn du dein Abitur machst, es ist okay, überfordert mit der Frage zu sein, wie du deine eigene Zukunft gestaltest. Ich war es auf jeden Fall. Alle meine Freunde, die seit einem oder zwei Jahren ihr Abitur hatten, haben es einfach auf sich zukommen lassen. Plötzlich macht uns alle etwas anderes glücklich. Den einen das Studium, den anderen die Ausbildung und den nächsten das Reisen.

Meine Mutter hat dann vorgeschlagen, ich solle ein Praktikum bei dem „Verein Bilder bewegen e.V.“ machen, weil sie dort einen Kontakt über ihre Arbeit hatte und ich dadurch einen Praktikumsplatz bekommen habe. Dort war ich zwei Monate. Der Verein hat Kurzfilme mit Jugendlichen in Projektwochen organisiert und durchgeführt und ich durfte bei den Projektwochen und auch im Büro dabei sein. Danach hab ich ein weiteres Praktikum für drei Monate gemacht. In einer Film Produktionsfirma (Zero One Film GmbH). Insgesamt waren meine Praktika echt super, weil man Erfahrungen sammelt. Aber ich wusste immer noch nicht, was genau ich denn jetzt vom Leben will…

Aber mit der Zeit und mit mehr Abstand zur Schulzeit habe ich verstanden, dass man im Leben immer Entscheidungen treffen muss und das am besten mit einem  guten Gewissen tun sollte. In der Schulzeit ist dein Alltag einfach fremdbestimmt. Ich konnte zum Zeitpunkt meines Abiturs noch nicht die Entscheidung treffen, was ich studieren will oder welche Ausbildung ich machen will. Also habe ich kleinere Entscheidungen getroffen, mich für zwei oder drei Monate an eine Tätigkeit gebunden. Und umso mehr Zeit verging, desto mehr konnte ich mich entspannen und mir selbst eingestehen: „Ey, ich muss noch nicht wissen, was ich studieren will oder was ich aus meiner Zukunft machen will, denn das Leben macht eh, was es will mit dir“.  Im Januar 2020 bin ich ausgezogen. Das war ein weiterer großer Schritt für mich.

Freunde von mir kamen wieder von ihren Reisen, andere erzählten mir von ihrem Studium und die ganze Zeit war ich irgendwie froh, dass ich mich einfach noch nicht festgelegt hatte. Dass ich auf meine Unwissenheit und auch Unsicherheit, was die Zukunft betrifft, klarkomme und mir keinen unnötigen Stress mache. Die Menschen, die ich bei meinem Praktikum kennengelernt habe, hatten so viel mehr Lebenserfahrung als ich, dass mir meine Probleme plötzlich so lächerlich vorkamen. Mit anderen Generationen konfrontiert zu sein, hat mir echt gut getan.  Ich habe mich selbst ganz neu kennengelernt. Und dann hatte ich zum ersten Mal meine eigene Wohnung, wow! Plötzlich lief alles ziemlich gut und ich fing an, das Leben zu genießen. Ganz anders als während der Schulzeit. So selbstbestimmt. Das Leben war echt viel cooler als davor, auch ohne einen konkreten Plan, noch nicht…

Ich bin davon überzeugt, dass jeder seinen Weg gehen wird und sich das Leben immer so fügt, wie es sich eben fügen soll.

Momentan arbeite ich noch als Assistentin im Bereich Medien (jetzt mit Corona ist natürlich alles anders), aber im Herbst fange ich an Geschichtswissenschaften und VWL an der Humboldt-Uni in Berlin zu studieren.

Ich fühle mich wohl mit dem Gedanken, dass ich mir Zeit genommen habe, um eine Entscheidung zu treffen, die mich für die nächsten drei Jahre bindet (der Bachelor). Ich wollte mit gutem Gewissen anfangen zu studieren und mit einem Plan. Den hatte ich lange nicht, aber davon habe ich mich nicht verunsichern lassen, ich wusste, er wird schon kommen. Ich brauche nur noch mehr Zeit. Deswegen habe ich Dinge ausprobiert (Praktika).

Ein Beispiel: Eine meiner Freundinnen hat direkt nach dem Abi angefangen Medizin zu studieren und ist jetzt im zweiten Urlaubssemester, weil im Leben einfach Dinge passieren, die du nicht vorhersehen kannst. Wer weiß, ob sie das Studium abbricht…

Also versteift euch nicht auf einen geraden Weg nach dem Abi, sondern seit offen und vertraut euch selbst, dass ihr euren eigenen richtigen Weg gehen werdet. Denn nur du selbst lebst dein Leben und nicht deine Eltern oder deine Lehrer oder deine Freunde. Nur du, für dich selbst. Und dein Leben sollte dich glücklich machen.  🙂 !!!