Allgemein, Politik

Verschwörungstheorien

Ein Beitrag von Jonah Karberg. Dieser Text entstand im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts Politikwissenschaft des 10. Jahrgangs (Stand: Mai 2020, Fachlehrer: Herr Lang.)

Infolge der aktuellen Pandemie treten vermehrt Verschwörungstheorien im Internet und auf Demonstrationen auf. So heißt es China wollte die gesamte Welt bedrohen und hätte das Virus mit Absicht freigesetzt. Oder die Regierung halte uns durch die Kontaktbeschränkungen fest.

Doch was ist eine Verschwörungstheorie eigentlich und wozu dient sie?

Zunächst einmal sollte geklärt werden, was eine Verschwörungstheorie genau ist. Als Verschwörungstheorie bezeichnet man eine Behauptung, die der öffentlichen Meinung über ein Ereignis widerspricht und dabei bestimmte Gruppen bezichtigt, hinter dem „eigentlichen“ Geschehen zu stehen, also eine Verschwörung gegen die Allgemeinheit geplant zu haben. Neben dieser geheimen Macht haben Verschwörungstheorien noch zwei andere Merkmale: Die Leute, die die Verschwörungstheorie verbreiten, sind die einzigen, die von der Verschwörung wissen. Außerdem ist in den meisten Verschwörungstheorien eine Schuldzuweisung zu finden, die nicht selten existiert, um andere Minderheiten zu diskriminieren und einen Grund zu finden, diese als schlecht oder böse darzustellen. So ist es auch bei der bisher ältesten, weitverbreitetsten und bekanntesten Verschwörungstheorie, dass Leute jüdischen Glaubens versuchten die Weltherrschaft anzunehmen. Mittels des Feindbildes des reichen und mächtigen Juden wird durch eine einfache Behauptung legitimiert, Jüdinnen und Juden als böse zu betiteln oder anders zu behandeln. Antisemitismus lässt sich aber auch anders in Verschwörungstheorien finden, wenn zum Beispiel Anhänger oder auch Neutrale mit den Opfern des Holocausts gleichgestellt werden.

Neben der Funktion sich abzugrenzen und zu diskriminieren, haben Menschen mit Verschwörungsmentalität, also Personen, die besonders anfällig sind Verschwörungstheorien zu vertreten, oft drei persönliche Bedürfnisse: Das Bedürfnis nach Kontrolle, da Zufälle manchmal schwer zu begreifen sind. Außerdem das Bedürfnis nach Einzigartigkeit, um sich durch eine radikale Meinung vom Rest der Allgemeinheit zu unterscheiden und letztendlich das Bedürfnis nach Erklärungen für komplexe oder schwer zu glaubende Zusammenhänge. Dies ist letztendlich auch der Grund, weshalb Verschwörungstheorien entstehen. Erst im Verlauf der Verbreitung wird die Verschwörungstheorie komplexer. In diesem Fall kann die Verschwörungstheorie sogar zur Ideologie werden.

Hier stellt sich nun die Frage, ab wann Verschwörungstheorien gefährlich werden. Wenn eine Verschwörungstheorie von Anfang an Minderheiten diskriminiert, so ist sie auch schon von Anfang an gefährlich. Denn bekanntlich Folgen aus Gedanken meist Taten. Besonders dann, wenn man sich leicht mit anderen Verschwörungstheoretikern austauschen kann, wie es über die sozialen Netzwerke seit einigen Jahren schon passiert. Hier können ungestört Verschwörungstheorien verbreitet oder erweitert werden. Durch Algorhythmen wird dem*der einzelnen Verschwörungstheoretiker*in eine breite Masse an Anhängern*innen vorgespielt und es bildet sich eine Community, die aus der Theorie eine Ideologie machen kann. Dies wirkt sich zum einen negativ auf die Informationskultur im Internet aus und zum anderen auch auf den*die einzelne*n Verschwörungstheoretiker*inn. So werden wissenschaftliche und seriöse Artikel zwar anfangs mehr geklickt als die von Verschwörungstheoretikern, allerdings nur solange das Thema aktuell ist. Unseriöse Artikel, die Verschwörungstheorien bestätigen, werden in sämtlichen Foren geteilt und erhalten so lange stabile Klickzahlen. Dabei ist es egal, ob womöglich wie bei einer Studie, die zeigte, dass Masernimpfungen das Risiko für Autismus stiegen ließen, ein Fehler vorliegt oder eine Korrektur vorgenommen wurde. Der eine Artikel existiert und auf diesen wird sich berufen. Sachverständige, die gegen die Verschwörungstheorie argumentieren können, werden letztendlich einfach als Teil der Verschwörung oder als unwissend abgetan. Der*Die einzelne Verschwörungstheoretiker*in ist insofern gefährdet, als dass er seine sozialen Kontakte verliert und dadurch sogar weiter in eine Blase gerät. Bei der Leugnung der Wirksamkeit von Impfungen ist zudem ein gesundheitliches Risiko vorhanden.

Für die Gesellschaft sind Verschwörungstheorien nur dann gefährlich, wenn sie genügend Aufmerksamkeit und Anhänger*innen erlangen, um Unsicherheit und grundlegendes Misstrauen in Presse oder staatliche Institutionen zu stiften. Natürlich kann, ja sollte sogar, eine gewisse Skepsis gegenüber den vorher genannten vorliegen, allerdings sollte geschaut werden, woher diese Skepsis kommt und ob man mögliche Zweifel belegen kann. Die politischen Handlungsträger*innen sollten zwischen dieser Art von Skepsis und abstrusen Verschwörungstheorien unterscheiden und diese nicht größer darstellen als sie eigentlich sind. Vielmehr sollte man darauf achten, dass genügend Transparenz in allen Bereichen des Staates herrscht, sodass möglichst jede*r Bürger*in das Gefühl hat, genügend Mitbestimmungsmöglichkeiten zu haben und nicht nur durch Meinungsäußerung Einfluss nehmen zu können.

Quellen (letzter Zugriff jeweils am 29.07.2020):

Imhoff, Roland: Die Mentalität der Verschwörungstheoretiker. Interview geführt von Teresa Pfützner. In: POLITIKUM. Heft 3/2017. S. 26-30.

Kahane, Anetta: „Es gibt ja auch wirklich Verschwörungen“. Interview geführt von Michael Maier. In: Berliner Zeitung (online), 12.05.2020.
URL: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/anetta-kahane-es-gibt-ja-auch-wirklich-verschwoerungen-li.83372