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FAQ – Identitätspolitik

Das FAQ zum Thema Identitätspolitik wurde vom Leistungskurs Politikwissenschaft des 11. Jahrgangs (Q2, Leitung: Hr. Lang) erstellt.
Genutzte Quellen werden unter jedem Antworttext angegeben; letzter Zugriff jeweils am 02.04.2021. Als Einstiegsquelle wurde folgender Text genutzt: Llanque, Marcus: Identitätspolitik. Dimensionen eines vielschichtigen Konzepts. POLITIKUM. Heft 4 (2018), S. 4-13.

FAQ-Übersicht
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Was ist Identitätspolitik?
Wofür steht Identität, in Identitätspolitik?
Identitätspolitik – wirklich nur eine Essentialisierung von Merkmalen?
Seit wann kann man von Identitätspolitik sprechen? (Kurze Geschichte der Identitätspolitik)
Was ist unter neuer Identitätspolitik zu verstehen?
Was hat unsere Sprache mit der Identitätspolitik zu tun?
Gibt es einen Unterschied zwischen rechter und linker Identitätspolitik?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Identitätspolitik und Rechtspopulismus?
Inwiefern kann der Begriff Identität missbraucht und als Machtressource ausgeschöpft?
Was ist da eigentlich los in der SPD beim Thema Identitätspolitik?
Welche Rolle spielt Identitätspolitik in den USA?

Was ist Identitätspolitik?
(von Emily Esche)

Identitätspolitik umfasst die Ausrichtung des politischen Handelns nach gruppenspezifischen Interessen von Menschen. Personengruppen im Sinne der Identitätspolitik werden meist unter Kategorien wie Klasse, Geschlecht, Herkunft und sexuelle Orientierung als Gruppen bezeichnet. Es wird hierbei weniger auf die ökonomischen und politischen Interessen eingegangen, sondern eher der Fokus auf die kulturellen Aspekte einer Gruppe gelegt. Die Identitätsgruppen sind oft offene oder subtil unterdrückte Minderheiten. Des Weiteren steht die Anerkennung dieser Gruppen im Vordergrund. Unter dem Begriff werden aber auch grundlegende Debatten über die Ursachen der gesellschaftlichen Spaltung geführt. Identitätspolitik wird als Begriff von Links und von Rechts verwendet. Polarisierung und eine darauf folgende Kompromisslosigkeit gehen häufig mit dem Begriff einher. Auch wird der Identitätspolitik vorgeworfen, durch sie werde der Fokus auf die falschen Dinge gelenkt und sie würde die Gesellschaft spalten. Identätitspolitik dreht sich auch um Fragen der Zugehörigkeit.
https://www.frankfurter-hefte.de/artikel/identitaetspolitik-worum-es-geht-2572/ https://www.bpb.de/apuz/286499/identitaetspolitik

Wofür steht Identität, in Identitätspolitik?
(von Fabian Reich)

Die Identitäten sind im Falle der Identitätspolitik verschiedene Personengruppen, welche auf Basis von Aspekten des Körpers wie Rasse, Geschlecht oder auch der sexuellen Orientierung oder ethnischen Abstammung unterschieden werden. Diese seien als Gruppen unterrepräsentiert in einer liberalen Mehrheitsgesellschaft, in welcher ihnen feindlich oder doch jedenfalls mit Unverständnis begegnet wird. Als Beispiel könnte man hier also die Gay Community, dunkelhäutige Mitbürger*innen oder auch einfach Frauen anführen.
Durch die von Rene Descartes entwickelte Erkenntnistheorie, welche die Identität eines Menschen als seinen Wesenskern darstellt, erfuhr die Identitätstheorie für das neuzeitliche Verständnis eine wesentliche Prägung.  In rechtspopulistischen Vorstellungen wird Identität außerdem häufig im Verhältnis mit einem geographischen Standort und Traditionen definiert, dieser Unterscheidung nimmt sich die Identitätspolitik jedoch nicht an.
Die Ziele der Identitätspolitik sind die Akzeptanz der Eigenschaften des eigenen Daseins und deren Berechtigung sowie die Einräumung von Orten, um die Lebensweise, mit welcher man sich identifiziert, ausleben zu können. Hierbei sollen beispielsweise Frauen ihre Identität unabhängig von fremdbestimmten Vorschriften, welche sie einschränken, entwickeln können, und ethnische Gruppen sollen ihre Gruppenangehörigkeit nicht als etwas negatives, sondern als positive Eigenschaft sehen, und ähnliches gilt auch für sexuelle Orientierung. Dies kann man nur durch wirkliche Gleichbehandlung und Toleranz erreichen, welcher sich die Identitätspolitik annimmt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Identit%C3%A4tspolitik
https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/241035/der-begriff-der-identitaet

Identitätspolitik – wirklich nur eine Essentialisierung von Merkmalen?

Identitätsgruppen und der Identitätspolitik wird oft vorgeworfen, sie beschränken und fokussieren sich ausschließlich auf ihre Merkmale und bewirken somit eine Essentialisierung dieser. Bei Gruppenbildungen würde es also zu einer Abgrenzung der Mehrheitsgesellschaft oder anderer Gruppen kommen.
Wer über diesen Vorwurf eine Weile nachdenkt und sich sowohl im politischen Geschehen als auch im historischen Zeitgeschehen auskennt, wird ganz schnell zu dem Schluss kommen, dass die Beschränkung auf wesentliche Merkmale und die Zuspitzung von Gemeinsamkeiten in nahezu jeder politischen Gruppenbildung der Fall ist. Als Beispiel eignet sich hierfür hervorragend das Staatensystem. Junge Nationen stellen in ihrer Debatte und bei der Gesetzgebung immer wieder die Fragen „Wer sind wir? Was macht uns aus? Für welche Werte stehen wir?“ Die gleichen Fragen stellen sich auch politische Ideologien oder Bewegungen.
Somit trägt die Essentialisierung zu einer Differenzierbarkeit bzw. Abgrenzung der Gruppen bei, die zwar durchaus in gewissem Maße zu kritisieren ist, aber in gleichem Maße aus dem politischen Diskurs nicht wegzudenken ist. Problematisch wird es aber, wenn Merkmale von außerhalb der Gruppe essentialisiert werden, beispielsweise in Form von Vorurteilen oder anderweitig diskriminierenden Einstellungen.
https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/fb2/c-systematischetheologie/christlichesozialwissenschaften/veroeffentlichung/tagungsbericht_werkstattgespraech_2020.pdf

Seit wann kann man von Identitätspolitik sprechen? (Kurze Geschichte der Identitätspolitik)

Da Klassenpolitik auch eine Form der Identitätspolitik ist, beginnt die Geschichte der Identitätspolitik mit der Arbeiter*innenbewegung. Während der Industrialisierung arbeiteten ehemalige Bäuer*innen und Handwerker*innen unter nahezu identisch schlechten Arbeitsbedingungen, was jedoch noch nicht dazu führte, dass die Menschen eine kollektive Wahrnehmung entwickelten. Diese musste nämlich mittels Identitätspolitik erst noch hergestellt werden. Dessen waren sich schon damals Theoretiker*innen bewusst. Beispielsweise schrieb Friedrich Engels 1881: „Um die besitzenden Klassen vom Ruder zu verdrängen, brauchen wir zuerst eine Umwälzung in den Köpfen der Arbeitermassen.“ Die Identifizierung der Klasse begann schließlich zunächst mit dem ökonomischen Kampf um bessere Arbeitsbedingungen, welcher zu einem größeren politischen Kampf zwischen der Arbeiterklasse und den herrschenden Klassen wurde und sich in eine politische Bewegung verwandelte.
Bezugspunkte schwarzer Identitätspolitik waren hingegen die Erfahrung kollektiver Erniedrigung und gemeinsame Errungenschaften. Anders als viele erwarten prägten nicht nur die Kämpfe in den USA, sondern auch die Ansprüche und Forderungen antikolonialer Bewegungen die Entstehung einer schwarzen Identitätsgruppe. Während die Diskriminierung von Schwarzen erstmals zur US- Bürgerrechtsbewegung in den 1950ern und 1960ern führte, prägte die Négritute-Bewegung die antikolonialen Kämpfe in Afrika schon in den 1930ern. Die vom Schriftsteller und Politiker Aimé Césaire gegründete Bewegung betonte besonders die kulturellen Errungenschaften der schwarzen Bevölkerung und achtete dabei auf die Ausbildung schwarzen Selbstbewusstseins. Diese identitätspolitisch motivierte Bewegung setzte dem allgemein verbreitetem abwertenden Bild Afrikas erstmals etwas entgegen. Ein ähnliches Ziel verfolgte die Black-Consciousness-Bewegung Anfang der 1970er Jahre. Dort wurde erstmals von Steve Biko, einem der Protagonisten der Bewegung, festgelegt, dass die Zugehörigkeit zur schwarzen Identitätsgruppe keine Angelegenheit der Pigmentierung ist, sondern die mentale Haltung reflektiert.
Anders als alle anderen Identitätsgruppen hatte der Feminismus seit jeher die Problematik ein politisches Subjekt „Frau“ zu bestimmen und Gemeinsamkeiten zu proklamieren, über die sich dieses Kollektiv definieren konnte. Ein Grundkonflikt der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehenden ersten Frauenbewegung war beispielsweise der Antagonismus zwischen Arbeiterinnen und bürgerlichen Feministinnen, wodurch zwei getrennt agierende feministische Identitätsgruppen entstanden. Die zweite Frauenbewegung, Anfang der 1990er, schloss hingegen Transfrauen aus und war daher herber Kritik ausgesetzt. Auch schwarze Frauen empfanden es aufgrund des Interessenkonflikts zwischen „women´s liberation“ und „black liberation“ als schwer, sich mit weißen Frauen zusammenzuschließen. Die Ausgrenzung einiger Frauen scheint auch in den heutigen Zeiten ein Problem zu sein (z.B. Zugehörigkeit von Transfrauen).
https://www.bpb.de/apuz/286503/zur-geschichte-linker-identitaetspolitik?p=2

Was ist unter neuer Identitätspolitik zu verstehen?
Der Begriff neue Identitätspolitik beschreibt politisches Handeln, welches im Sinne von in den letzten Jahren neu entstandenen bzw. neu definierten Identitätsgruppen geschieht. Diese Gruppen werden über kulturelle, ethnische, soziale und sexuelle Merkmale definiert. Zu diesen neu entstandenen Gruppen lassen sich moderne und internationale Feminismusbewegungen sowie die LGBTQ+ Bewegung zählen. Ältere Identitätsgruppe stellen die Anhänger der Bewegung zur Gleichberechtigung von afroamerikanischen Menschen in den USA oder der Homosexuellen-Bewegung der 70er Jahre dar. Die meisten neuen Identitätsgruppen sind aus älteren hervorgegangen und haben sich in ihrem Umfang und dementsprechend auch ihren Forderungen und Inhalten weiterentwickelt. Aus der Homosexuellen-Bewegung der 70er Jahre ist die LGBTQ+ Bewegung entstanden, die neben homosexuellen Menschen auch alle anderen nicht heterosexuellen oder CIS-Menschen einschließt. Die fortgeführte Bewegung gegen strukturellen Rassismus in den USA, die im vergangenen Jahr stark durch Black Lives Matter unterstützt wurde, lässt sich beispielsweise weiter spezifizieren zu Black Trans Lives Matter. Viele neue Identitätsgruppen bemühen sich bewusst um eine Inklusion von bisher benachteiligten Mitgliedern, so entstehen neue kleinteilige Gruppierungen, die für gemeinsame und eigene politische Ziele kämpfen.
https://www.gender-blog.de/beitrag/identitaetspolitik-intersektionale-perspektiven
https://de.wikipedia.org/wiki/Identit%C3%A4tspolitik
https://originem.info/identitaetspolitik/

Was hat unsere Sprache mit der Identitätspolitik zu tun?
(von Jannika Herm)

Unsere Sprache ist ein sehr zentraler Bestandteil unserer heutigen Welt. Sprache ermöglicht einem jeden einen Zugang zur heutigen Gesellschaft. Und genau aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass jeder an dieser Sprache teilhaben kann und jeder sich mit ihr identifizieren kann. Natürlich können sich Menschen, die kein Deutsch sprechen, nur schwer mit der deutschen Sprache identifizieren, aber darum geht es auch eher weniger. Auch innerhalb der deutschen Sprache ist Diskriminierung vorhanden. Das erste, was einem an diesem Punkt meist in den Sinn kommt, ist das sogenannte „Gendern“. Durch Gendern soll versucht werden von solchen Formulierungen wegzukommen: „Liebe Teilnehmer und liebe Teilnehmerinnen“. Denn dadurch würden theoretisch nur Menschen eingeschlossen werden, die sich dem männlichen oder weiblichen Geschlecht angehörig fühlen. Alternativ könnte man hier zum Beispiel „Liebe Teilnehmende“ verwenden. Natürlich gibt es hier viele verschiedene Möglichkeiten sich möglichst gender-gerecht auszudrücken, denn ein „korrektes Gendern“ gibt es hier nicht. Doch das ist ein unglaublich komplexes Thema, was zu umfangreich ist, um darauf an dieser Stelle genauer einzugehen. Doch es gibt auch noch ein weiteres Beispiel, was viele Menschen meist gar nicht im Kopf haben. Zum Beispiel blinde Menschen können in vielen Situationen nur beschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Zum Beispiel im Bus. Die meisten Menschen können einfach auf den Fahrplan oder die Anzeige gucken und wissen, dass sie in zwei Stationen aussteigen müssen. Für Blinde ist das nicht so einfach. Auch Hinweisschilder, wie „ziehen“ oder „drücken“ an Türen sind oft nicht blindengerecht gestaltet. Hierbei spielt vor allem die geschriebene Sprache eine große Rolle. Insgesamt ist es also wichtig, dass wir versuchen unsere Sprache, sowohl geschrieben als auch gesprochen, so zu gestalten, dass sich die verschiedenen Identitäten durch sie nicht ausgegrenzt fühlen. Oftmals ist das gar nicht so einfach, aber schon mit kleinen Taten kann man oft Großes bewirken.

Gibt es einen Unterschied zwischen rechter und linker Identitätspolitik?
(anonym)

Rechte und linke Identitätspolitik unterscheiden sich in ihren Zielen. Linke Identitätspolitik setzt sich für gesellschaftliche Gruppen und Minderheiten ein und versucht ihnen die selben Rechte wie dem Rest der Gesellschaft zu geben und für ihre Interessen einzutreten.
Ein Beispiel dafür ist die Black Lifes Matter Bewegung. Rechte Identitätspolitik sieht vor, die Menschen aufgrund ihrer kulturellen Identität zu trennen. Dies sieht man zum Bespiel an der Ausländerfeindlichkeit der AFD.
In Ihrem Grundprinzip weisen sie jedoch Ähnlichkeiten auf. Beide bauen darauf, dass sie durch Gruppenbildung ihre Ziele besser umsetzen können. Dabei besteht auch bei linker Identitätspolitik die Gefahr, dass es zu einer Essenzialisierung kommt. Das bedeutet, dass es zu einem Wir-Sie-Denken kommt. Dies führt dann zu mehr Spaltung zwischen unterschiedlichen kulturellen Identitäten. Abschließend lässt sich sagen, dass zwar die Grundsätze Ähnlichkeiten haben, aber die Ziele komplett verschieden sind.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Identitätspolitik und Rechtspopulismus?
(von Friederike Hahn)

Die oftmals linke und liberale Identitätspolitik wird seit einigen Jahren als Machtwerkzeug der Rechtspopulist*innen genutzt. Doch wie kam es dazu, dass es bei diesem Modell zu einer Diskursverschiebung kam?
Rechtspopulist*innen betreiben eine sogenannte primär exkludierende Identitätspolitik. Das bedeutet, dass ihre Identitätspolitik vorrangig darauf ausgelegt ist, Individuen einem Kollektiv zuzusprechen oder abzusprechen. Die Rechtspopulist*innen wollen somit die Identitätspolitik nutzen, um eine Spaltung des Volkes zu fördern und eine homogene Masse im eigenen Land zu bilden. Um dies zu erreichen, beschreiben Rechtspopulist*innen immer ein sogenanntes „wahres Volk“. Sie würden demnach dieses vertreten und somit eben auch die „stille Mehrheit“ vertreten. Daraus folgt auch, dass Rechtspopulist*innen Personen, die sie einem anderen Kollektiv / anderer Identität zugesprochen haben, als Bedrohung und kulturell inkorrekt sehen. Damit diese oben genannte Identität also das „wahre Volk“ von anderen Identitäten differenziert werden kann, nennen die Rechtspopulist*innen klare Eigenschaften und Charakteristika, an denen man diese erkennen würden.
Rechtspopulist*innen haben oftmals Angst vor der Zerstörung ihrer Kultur und nutzen daher die Identitätspolitik, um ihre eigene „Kultur“ oder auch „Identität“ zu legitimieren. Jedoch wollen sie das Verbindende einer Gesellschaft an einer bestimmten Lebensform und somit einer homogenen Gesellschaft festmachen und keine Verbindung durch die Einforderung von Solidarität, Bereitschaft und gleicher Rechte einsehen.
Der Zusammenhang zwischen Identitätspolitik und Rechtspopulismus besteht also dahingehend, dass diese die Identitätspolitik nutzen, um eine homogene Gesellschaft zu formen und ihre eigenen Ansichten zu legitimieren.
https://www.bpb.de/apuz/286506/das-wahre-volk-gegen-alle-anderen.rechtspopulismusals-identitaetspolitik
https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/kulturelle-bildung/273521/identitaetspolitikund-populismus
https://www.tagesspiegel.de/politik/rechtspopulistische-identitaetspolitik-die-afd-wareinst-national-jetzt-ist-sie-antinational/26697638.html

Inwiefern kann der Begriff Identität missbraucht und als Machtressource ausgeschöpft?
(von Noah Vormelchert)

Der Begriff Identität ist ein vielseitig verwendeter Begriff. Dabei kann dieser durch verschiedene Gruppierungen als politischer Kampfbegriff und die damit verbundendenden Machtressource genutzt oder auch ausgenutzt werden. Dies kann dadurch zustande kommen, dass jeder von uns verschiedene Identitätsmerkmale beinhaltet oder sich mit verschiedenen identitätsbildenden Begriffen identifiziert, wodurch sich jeder durch jemand anderen abgrenzt, der sich nicht mit dem jeweiligen Persönlichkeitsaspekt identifiziert. Zugleich kann sich aber auch jeder mit anderen Menschen identifizieren, welche das jeweilige oder ein ähnliches Identitätsmerkmal teilen. Nach diesem Verständnis kommt es zu einer gruppenspezifischen Spaltung und zwar in solche, die sich mit dem jeweiligen Identitätsmerkmal identifizieren und jeweils die anderen, die dies nicht tun. Diese Unterscheidungsmerkmale können dafür genutzt werden, um jeweils die entstandene Identitätsgruppen beziehungsweise die Identitätsbegriffe und Menschen, die sich dessen zuordnen, zu mobilisieren und für verschiedene politische Zwecke zu gebrauchen. Hierzu wird die Abgrenzung zu Menschen mit jeweils anderen Identitätsaspekten genutzt und die Abgrenzung verschärft, wodurch es zu einer Aufteilung in zwei Lager kommt, das eigene Lager, mit dem sich identifiziert wird, und das feindliche Lager, welches aus den Menschen besteht, die sich nicht mit dem jeweiligen Identitätsbegriff identifizieren können. Diese Aufteilung und direkte Abgrenzung erhöht jeweils die politische Bereitschaft beider Lager, was dadurch zustande kommt, dass eine konkrete Bedrohung der eigenen Identität durch das jeweilige andere Lager befürchtet wird. Da durch die jeweilige Gruppenzuschreibung meist auch die Annahme einhergeht, sich mit dem eigenen Identitätsmerkmal in einer Minderheit zu befinden, kommt es dazu, dass die jeweiligen identitätsspezifischen Gruppen versuchen, ihre eigene Identität vor dem jeweiligen anderen Lager zu schützen, dadurch fühlen Menschen sich mitunter in ihrer eigenen Existenz bedroht, was dazu führen kann, dass Menschen zum vermeintlichen Schutz ihrer Existenz gewaltbereit gegenüber Menschen werden, die sich nicht mit der jeweiligen Gruppe identifizieren oder mitunter sogar bereit sind zu töten. Dieser politische Deutungskampf kann konkret als Machtressource  benutzt werden, um Menschen zu mobilisieren und einen politischen Machtkampf auszutragen oder bestimmte politische Interessen durchzusetzen, ganz unabhängig davon, ob es sich bei den Menschen mit dem sich identifizierenden Identitätsmerkmal wirklich um eine geschwächte Minderheit handelt.

Was ist da eigentlich los in der SPD beim Thema Identitätspolitik?

In der SPD gab es Anfang März 2021 sehr viel Streit über Identitätspolitik. Wolfgang Thierse, ehemaliger Bundestagspräsident und Mitglied der SPD, äußerte sich bedenklich über die derzeitige Identitätspolitik. In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisierte er, dass meistens nur die Verschiedenheit der einzelnen Identitäten hervorgehoben werden würden. Es werde meist nur auf die Verschiedenheit der einzelnen Gruppen geachtet werden und nicht auf die möglichen Gemeinsamkeiten. Er ist der Meinung, dass im Moment nur die Identität hervorgehoben werde, das Gegeneinander, es werde sich aber nicht auf das WIR fokussiert. So würden zum Beispiel Menschen mit sehr kontroversen Ansichten oder nicht so beliebten Ansichten meist aus dem allgemeinen Diskurs ausgestoßen werden. Hier nennt er als Beispiele Universitäten oder die Medien.
Thierses Beitrag kam aber bei der SPD-Spitze nicht so gut an. Sie waren vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) aufgefordert worden, sich öffentlich zu entschuldigen, da es zuvor eine digitale Veranstaltung der SPD mit einer FAZ-Journalistin gegeben hatte, welche das #ActOut-Manifest (mehr auch hier im SZ-Magazin) kritisiert hatte. SPD-Chefin Saskia Esken und Vizepräsident Kevin Kühnert distanzierten sich öffentlich und versuchten zu deeskalieren. Im Folgenden suchte dann Saskia Esken das Gespräch mit Wolfgang Thierse. Zu einem Austritt von Wolfgang Thierse ist es bisher nicht kommen, er hatte die Möglichkeit dazu selbst ins Spiel gebracht. Wolfgang Thierse sprach außerdem von viel Zuspruch aus den Reihen der SPD.

https://www.tagesspiegel.de/politik/streit-in-der-spd-ueber-identitaetspolitik-thierse-sieht-sich-als-symbol-fuer-viele-normale-menschen/26992040.html
https://www.cicero.de/innenpolitik/wolfgang-thierse-identitaetspolitk-spd-faz-saskia-esken-parteiaustritt/plus
https://www.deutschlandfunk.de/wolfgang-thierse-spd-ueber-identitaetspolitik-ziemlich.694.de.html?dram:article_id=493111
https://taz.de/SPD-Debatte-zu-Identitaetspolitik/!5753032/

Welche Rolle spielt Identitätspolitik in den USA?
(von Oliver Breloh)

Die Präsidentschaftswahl der USA fand 2016 ein überraschendes Ende und auch 2020 gewann Biden knapper als vielleicht erwartet. Neben vielen Faktoren, die diese kontroversen Wahlen beeinflusst haben, wird auch immer wieder die Identitätspolitik genannt. Sie habe einen merklichen Einfluss auf das Wahlergebnis und den Wahlkampf gehabt. Doch wie weit reichte dieser und wie hat er sich bemerklich gemacht?
Der weitaus größte Einfluss auf die US-Wahlen wird der Identitätspolitik der Republikaner zugesprochen. Viele Stimmen behaupten, es sei Donald Trump gelungen, seine Anhängerschaft durch taktische Identitätspolitik zu festigen und zu erweitern. Ein Grund dafür, dass ihm das möglich gewesen ist, sei nach vielerlei Meinung die Identitätspolitik der Demokraten gewesen. So habe sich Hillary Clinton zu sehr auf Politik für Minderheiten beschränkt und damit bei vielen Mitgliedern der sogenannten Mehrheitsgesellschaft Angst ausgelöst. Diesen Stimmen nach sei es Trump gelungen, die verängstigten Wähler, demnach vor allem weiße Mehrheitsgruppen, die um ihre Vormacht fürchteten, auf seine Seite zu ziehen und eine feste Gruppenidentität zu erschaffen. Es gibt hier aber auch deutliche Gegenstimmen, die bezweifeln, dass das Wahlprogramm der Demokraten im Wahlkampf 2016 vor allem als Identitätspolitik wahrgenommen wurde. Ihrer Meinung nach sei dieser Fokus auf die identitätspolitischen Inhalte der Wahl erst mit der Theorie im Nachgang der Wahl einhergegangen.
Die Wahlergebnisse 2020 zeigen vor allem eines: Die Wahlbeteiligung der Arbeiterklasse und der unteren Mittelschicht, die Gruppen, die besonders heftig von Corona getroffen waren, stieg deutlich an und trug maßgeblich zum Wahlerfolg Joe Bidens bei. Viele sehen darin die Theorie von oben bestätigt, da sie sagen, Clinton hätte mit ihrer elitären Identitätspolitik, diese Gruppen, als Basis der demokratischen Wählerschaft, verloren und es hätte die Corona-Krise gebraucht, damit die Demokraten, durch besseres Krisenmanagement, wieder an Attraktivität gewinnen.
Die Debatte um Identitätspolitik in der US-Wahl ist aber sehr kontrovers und steht vor keiner einfachen Lösung.
https://plus.tagesspiegel.de/meinung/martenstein-zur-us-wahl-ein-boeses-omen-fuer-die-demokraten-66131.html
https://www.bpb.de/apuz/275882/hegemoniale-identitaetspolitik-als-in-den-usa
https://www.faz.net/aktuell/politik/von-trump-zu-biden/warum-die-usa-ueber-den-sinn-der-identitaetspolitik-streitet-16040856.html
https://www.cicero.de/aussenpolitik/us-wahlen-linke-identitaetspolitik-demoskopen-trump-biden
https://www.tagesspiegel.de/politik/identitaetspolitik-im-us-wahlkampf-immer-anders-immer-gleich/24866472.html