Ein Beitrag von Lukas Tscheak (Q4). Dieser Text entstand im Rahmen des Geschichtsgrundkurses Q4 (Fachlehrkraft: Hr. Lang; Schuljahr 2022/2023). Das Unterrichtsmaterial kann aus rechtlichen Gründen hier nicht veröffentlicht werden.
Um die beantworten zu können, inwiefern der Vietnamkrieg als „noble war“ bezeichnet werden kann, müssen einige Aspekte betrachtet werden. Zuallererst ist es jedoch wichtig, den historischen Kontext darzulegen, indem wichtige Ereignisse über den Verlauf des Krieges zusammengefasst werden. Zudem muss die Urteilsfrage erläutert werden.
Ein Krieg könnte als nobel bezeichnet werden, wenn er in einer Art bewundernswert wäre und man ihn als ehrenwertes Ereignis loben könnte. Diese Sichtweise kann jedoch nur auf eine beteiligte Partei zutreffen, da der Gegner beziehungsweise Feind in dieser Situation dem erstrebenswerten Ziel des jeweils anderen entgegenstehen würde. Aus diesem Grund muss nicht nur klar zwischen der heutigen und der damaligen Sicht, sondern auch zwischen den Perspektiven der Akteure differenziert werden. In dieser Beurteilung wird hauptsächlich die amerikanische Perspektive bedient, da diese Gegenstand der Quellen ist.
Der Vietnamkrieg wurde im Jahr 1964 schlussendlich, nach einer längeren Phase der Auseinandersetzung, durch den Angriff eines nordvietnamesischen Bootes auf einen US-Zerstörer induziert. Die USA reagierten darauf mit einigen Luftangriffen auf Nordvietnam zwei Tage später. Nach weiteren Angriffen durch nordvietnamesische Truppen auf US-Kasernen, befahl John F. Kennedy im Jahr 1965 den erstmaligen Einsatz von amerikanischem Militär auf asiatischem Boden nach dem Koreakrieg. Zeitweise waren bis zu 550.000 US-Truppen gleichzeitig in Vietnam stationiert. Der spätere US-Präsident Richard M. Nixon wollte den Vietnamkrieg beenden und beabsichtigte dafür, den Krieg zunächst auszuweiten. Es wurde darüber hinaus der Gebrauch von Atomwaffen in Erwägung gezogen. Dies wurde letztendlich nicht in die Tat umgesetzt. Im Jahr 1970 fanden große Antikriegsdemonstrationen in den USA statt, die die teilweise Missachtung des Volkes zeigte, die der Präsident und die restliche Regierung für ihre Entscheidungen ernteten. Die letzten großen Angriffe der USA auf Nordvietnam fanden im Jahr 1972 statt. Zum einen gab es B-52-Angriffe auf Hanoi und Haiphong und weiterhin das sogenannte “Weihnachtsbombardement”. Anfang 1973 wurden Verhandlungen in Paris vorgenommen, die den Vietnamkrieg für die USA beendeten. Die Südvietnamesen mussten unterdessen zusehen, wie ihr Land von den Gegnern regelrecht überrannt und eingenommen wurde. Die Vietnamesen hatten auf beiden Seiten hohe Opferzahlen zu beklagen und für die Amerikaner blieb der Vietnamkrieg als eine Art Trauma in Erinnerung.
Aus damaliger Sicht lässt sich zunächst die Rede des Präsidenten Lyndon B. Johnson vom 7. April 1965 betrachten, da diese die, damals aktuelle, Sicht des Staatsoberhauptes der USA auf die Geschehnisse in Vietnam veranschaulicht. Den vorhandenen Krieg, der maßgeblich durch Luft- und Bodenangriffe sowie dem Einsatz von immer mehr Truppen in Vietnam katalysiert wurde, als Verteidigung darzustellen (vgl. Präsident Lyndon B. Johnson in einer öffentlichen Rede am 7. April 1965), spricht nicht für bewunderns- oder erstrebenswerte Ziele der USA. Obwohl Nordvietnam mit dem Angriff auf die “Maddox” den ersten gewalttätigen Angriff dieses Krieges verübte, deutete der Luftangriff der USA auf Nordvietnam zwei Tage später ebenfalls stark auf eine Kriegslust beziehungsweise den Willen zu einem Konflikt hin. Diese These wird zusätzlich durch den schnellen Anstieg des Einsatzes von immer mehr Truppen und der hohen Anzahl der insgesamt eingesetzten Truppen gestützt. Wenn die USA lediglich plante Südvietnam vor den Kommunisten zu beschützen, wie Lyndon B. Johnson in seiner Rede behauptete, wäre keine so hohe Truppenmenge in Vietnam eingesetzt worden.
Der Angriffscharakter, den die USA von Anfang an mit ihrer Kriegsführung bewies, lässt sich ebenfalls nicht vor dem Hintergrund des Ziels der Zerstörung des Kommunismus, zum Zweck von Schutz von Südvietnam, in Nordvietnam rechtfertigen. Dazu kann hinzugefügt werden, dass die USA in großem Stil Luftwaffenangriffe auf Nordvietnam verübten. Es gab zum offiziellen Kriegsende (1973) zwei Millionen Tote innerhalb der Zivilgesellschaft auf Seite der Südvietnamesen, es ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der zivilen Opfer in Nordvietnam in ähnlichen Bereichen bewegt. Diese toten Zivilisten wurden zu großen Teilen Opfer der Luftangriffe, die von den USA verübt wurden. Hier wäre das Ziel der amerikanischen Angriffstaktik zumindest auf logischer Ebene erklärt, jedoch leitet sich daraus aus genannten Gründen kein bewundernswertes und somit, laut der Urteilsfrage, “nobles” Motiv seitens der USA ab.
Der nächste zu betrachtende Aspekt ist die Aussage Johnsons, dass die Welt auf die USA zählen könne und diese Unsicherheit und Unruhe verhindern wolle (vgl. Präsident Lyndon B. Johnson in einer öffentlichen Rede am 7. April 1965). Dies deckt sich nicht mit den späteren Überlegungen von Henry Kissinger, der in Erwägung zog, Atomwaffen gegen Nordvietnam einzusetzen (vgl. Prof. Dr. Rolf Steininger, in bpb.de vom 10.10.2008; das Unterrichtsmaterial kann aus rechtlichen Gründen hier nicht veröffentlicht werden). Eine Nutzung solcher Waffen wäre nicht ohne Konsequenz für den Rest der Welt geblieben. Hauptsächlich wären unmittelbar angrenzende und umliegende Länder durch einen direkten Schaden betroffen gewesen. Es ist jedoch zusätzlich davon auszugehen, dass andere Großmächte, wie die Sowjetunion, dies nicht schweigend hingenommen, sondern sich in irgendeiner Weise eingeschaltet hätten. Weitergedacht hätte diese Maßnahme andere Konflikte auslösen oder bestehende Konflikte, wie den Ost-West-Konflikt, verstärken können. Es ist nicht zu sagen, wie wahrscheinlich ein weiterer Krieg dadurch gewesen wäre, auszuschließen ist es jedoch nicht. Auch wenn diese Überlegung in diesem Fall nicht von einem Präsidenten der USA, sondern von einem hochrangigen Sicherheitsberater angestellt wurde und
dieser es dem Präsidenten nahelegte, zeigt dies trotzdem die zeitweilige Inkonsistenz der amerikanischen Logik zu der Zeit. Dies spricht weiterhin gegen Ronald Reagans These zur Stellung des Krieges, nach der dieser “nobel” gewesen sei.
Ein weiterer Punkt, der sich gegen einen erstrebenswerten Krieg stellt, ist die Ablehnung des Volkes, sowie anderer Politiker gegen den Vietnamkrieg oder zumindest dessen Umsetzung. So gab es Anfang der siebziger Jahre eine große Antikriegsdemonstration, bei der vier Studenten ums Leben kamen. Des Weiteren stellte sich J. William Fulbright in einer Rede 1967 gegen den Krieg und skizzierte die Folgen des Krieges für das globale Ansehen beziehungsweise die globale Rolle Amerikas. Nach Fulbright seien die USA nun als Gewalttäter in der Welt bekannt, die moralische Prinzipien, sowie ihre Rolle als Vorbild in der Welt verloren hätten (vgl. Senator J. William Fulbright in einer Rede im US-Senat am 8.August 1967; das Unterrichtsmaterial kann aus rechtlichen Gründen hier nicht veröffentlicht werden). Diese Folgen für die USA können nicht als erstrebenswert bezeichnet werden.
Der Vietnamkrieg, aus dem sich die Folgen ergeben, ist somit nicht “nobel”. Aus der heutigen Sicht können Zusammenhänge besser eingeordnet und spätere Geschehnisse und Aufdeckungen zusätzlich miteinbezogen werden. Dies zeigt sich auch in der Urteilsfindung aus dieser Perspektive. Die USA hatte, bei Bedenken der Grundlage des politischen Systems, stets einen Anspruch an demokratische Werte. Dieser Anspruch würde sich, bei Einhaltung dieser Grundlagen, in eine Transparenz des Staates gegenüber dem Volk übersetzen lassen. Die “Pentagon Papers” wurden 1971 erstmals zu Teilen veröffentlicht und Jahrzehnte später vollständig offengelegt, in ihnen findet sich eine Verletzung der Transparenz. Diese Dokumente legen eine Desinformation der Bürger offen und zeigen dementsprechend, dass der Staat ausgewählte Informationen durchaus geheim halten wollte. Eine Verletzung demokratischer Werte durch die Regierung der USA in Verbindung mit dem Vietnamkrieg kann die Motive der Befehlsgeber, die besagte Geheimnisse hüteten, nicht in ein “nobles” Licht rücken.
Des Weiteren berichtete Paul Kennedy über negative Folgen, die der Ausgang des Vietnamkrieges für die USA hatte. Der Historiker fasste die zerstörten Prioritäten der Nation, den lieblosen Empfang der Veteranen, die steigende Unbeliebtheit des Landes und vieles mehr, als eine Krise der amerikanischen Gesellschaft zusammen (vgl. Historiker Paul Kennedy über die Folgen des Krieges 1987; das Unterrichtsmaterial kann aus rechtlichen Gründen hier nicht veröffentlicht werden). Diese Auswirkungen ließen sich erst nach dem Krieg vollständig erkennen und zeigen ein entstandenes Trauma innerhalb der Gesellschaft, das diese spaltete. Da die Amerikaner den Krieg nicht gewannen, somit ihre Ziele nicht erreicht hatten und zusätzlich einen Schaden innerhalb des Volkes in Kauf nehmen mussten, ist der Krieg auch im Nachhinein für sie nicht als “nobel” zu bezeichnen. Der Aspekt, dass die USA als Sieger aus dem Kalten Krieg hervorgingen und somit den Kampf gegen den Kommunismus in diesem Fall gewannen (vgl. Historiker Marc Frey 2004; das Unterrichtsmaterial kann aus rechtlichen Gründen hier nicht veröffentlicht werden) ist im Hinblick auf die Urteilsfrage hier auszuklammern. Es kann festgehalten werden, dass sich der Status der USA sowohl national als auch global in den nächsten Jahrzehnten wieder verbesserte. Darüber hinaus konnten Traumata innerhalb der Gesellschaft, durch eine verbreitete Kultur des Vergessens und Verdrängens, heutzutage weitgehend eliminiert werden. Nichtsdestotrotz kann ein Aufschwung der USA nach Überwindung des Krieges diesen nicht “nobel” machen. Zum einen nicht, weil der in Kauf genommene Tod vieler unschuldiger Menschen viel schwerer als ökonomische oder machtpolitische Ziele wiegt. Zum anderen nicht, da andere Faktoren den weiteren Verlauf der Geschichte beeinflussten und der Vietnamkrieg nicht die positive Zukunft der USA determinierte.
Abschließend kann klar festgehalten werden, dass die Urteilsfrage mit “Nein” beantwortet und der Vietnamkrieg folglich nicht als “nobel” bezeichnet werden kann. Genannte Argumente aus Sach- und Werturteil sprechen klar gegen die These von Ronald Reagan. Am schwersten wiegen für mich der Angriffscharakter und die Kriegslust der USA, die vor allem am Anfang des Vietnamkrieges ersichtlich wurden, in Verbindung mit den hohen Zahlen an zivilen Opfern. Ein weiterer, nicht außer Acht zu lassender Punkt ist das Verschleiern und Verstecken wichtiger Informationen über den Vietnamkrieg seitens der Regierung gegenüber den Bürgern und die daraus resultierende Verletzung der Demokratie.