Allgemein, Deutsch

Iphigenie auf Tauris – Es gibt nichts Spannenderes

Ein Plädoyer von Luisa Pirker (LK De Q2, Fr. Schubert).

Jeden Schultag spielen sich bei den Schülern die gleichen Dramen ab: der Stress, sich zum Unterricht nicht zu verspäten, mit den Hausaufgaben und Klausuren hinterherzukommen und als langweilig deklarierte Dramen zu verstehen, bilden eine anstrengende Kombination, die wohl jeder kennt und die dem einen oder anderen bestimmt schon einen ordentlichen Burnout bereitet haben und hoffen lassen, dass diese angeblich teuflisch trockenen Dramen endlich verschwinden.

Aber was, wenn du nun selbst die Tochter eines griechischen Kriegshelden wärst, der eine Göttin verärgert hat? Du bist in dem einen Moment noch friedlich zu Hause, dann soll dich auf einmal die nächstmögliche Klinge an die Göttin Diana opfern und ehe du dich versiehst, wirst du von eben dieser auf eine fremde Insel weit weit weg von zu Hause gebracht. Bist du wirklich gerettet? Die Einsamkeit scheint kein fairer Tausch für die Sicherheit zu sein und dazu bedrängt dich der König der fremden Insel, ihn zu heiraten, obwohl du kein Interesse hast. Er erzürnt. Er stapft davon. Er führt die Opferung von Fremden, die du ihm davor so glimpflich ausgeredet hast, wieder ein. Die Fremden warten natürlich schon an der nächsten Ecke. Sind es wirklich Fremde? Nein! Es sind deine langersehnten Verwandten, die geopfert werden sollen und es ist deine Aufgabe, deinen Bruder und deinen Cousin vor dem Zorn des Königs zu bewahren und das ohne, dass du deine göttlichen Moralvorstellungen vollkommen über Bord wirfst.

Der Schulalltag erscheint einem dann gar nicht mehr so anstrengend. Für Iphigenie, in deren Geschichte du gerade hinein geschnuppert hast, bleibt dieser jedoch nur ein Traum. In Goethes „Iphigenie auf Tauris“ geht es nämlich genauso fesselnd weiter. In dieser Hinsicht bewies Goethe wirklich Kreativität. Dem Leser wird hier ein Einblick in die waschechte Dramatik, Literatur und griechische Mythologie gegeben. Dabei wird dein Verständnis für solche literarischen Werke radikal gefördert, sodass du sogar deinen Lehrern mit deinem Wissen ihren Tag versüßen kannst. Und das Beste: sobald du dich mit dem spannenden und vielseitigen Mythos auseinandergesetzt hast, der dein Interesse anheizt, kannst du über die Wörter Goethes, die wie Bonbons mit dickem Papier ihren letztlich simplen Inhalt zu verstecken versuchen, nicht hinwegsehen, sondern sie auswickeln. Währenddessen lernst du sogar etwas, da andere klassische Dichter ähnliche „Wörterbonbons“ in ihre Werke und Stücke streuen, die nur darauf warten, von dir entschlüsselt und ausgepackt zu werden! Wieder ein anderer zufriedener Deutschlehrer.

Dein Schulleben wird leichter und du verstehst mehr und mehr die anfänglich trockenen Dramen, die sich nun in eine Schüssel mit leckeren Bonbons verwandelt haben. Wenn du sie alle ausgepackt und probiert hast, erwartet dich außerdem statt Übelkeit ein Schwall von Weisheiten, Unterhaltung und das Wichtigste: du lernst ein unterbewusstes Konzept kennen, was dafür sorgt, dich im Sinne der Weimarer Klassik zu einem besseren Menschen zu erziehen, indem ein vorbildliches Verhalten gezeigt oder bei einer Katastrophe sehnlich erwünscht wird.

Dein Interesse, dein Verständnis, dein ganzes Gehirn wächst, während du dich mit den tückischen Problemen und den moralisch richtigen Entscheidungen von Iphigenie vertraut machst; sie gibt den Schülern, auch dir, letztendlich eine Chance, von klassischen Dramen zu kosten und sich ihre Vorteile zu Nutze zu machen! Lass es dir schmecken!