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Zwischen Befremden und Begeisterung – Ein Besuch von Schillers „Maria Stuart“ am Deutschen Theater

von Alina Gelen und Selma Heinz (LK De Q2, Fr. Schubert)

Fuck the patriarchy! Frenemies! Königinnen! Schlagwörter, die die Inszenierung von Maria Stuart im Deutschen Theater auf den Punkt bringen sollen. Am 30. Oktober 2020 öffnete sich erstmals der Vorhang für die Inszenierung von Maria Stuart. Die Regisseurin Anne Lenk ermöglicht in dieser eine neue Sichtweise auf das klassische Drama von Friedrich Schiller. Doch wird sie den Erwartungen des Publikums gerecht oder ist ein Besuch pure Zeitverschwendung?

Maria Stuart, katholische Königin von Schottland, ein Flüchtling vor ihrem eigenen Volk. Vorwürfe des Auftragsmordes an ihrem Gatten treiben sie nach England. Bei ihrer Cousine, der protestantischen Königin Elisabeth, hofft sie auf politisches Asyl, erhebt gleichzeitig aber Anspruch auf ihre Krone, als deren rechtmäßige Erbin sie sich sieht. Sie wird gefangen genommen und interniert, Befreiungsversuche von jungen Rettern schlagen fehl. Als mehrere Mordanschläge auf Königin Elisabeth vereitelt werden, soll Maria Stuart als vermeintlich Verantwortliche hingerichtet werden. Doch auch im Beratungskomitee der englischen Königin spalten sich die Meinungen über die vermeintliche Mörderin. Versöhnungsversuche in Form des Aufeinandertreffens der Königin sollen die dicke Luft vertreiben. Doch alles scheitert.

Bei Anblick des Bühnenbilds fällt direkt eines auf: offene Boxen, kaum Requisiten und ein verwunderliches Lichtspiel. Ein unrealistisches Konzept, das den Zuschauer:innen eher befremdlich vorkommt. Doch genau das macht das Schauspiel zu einem einzigartigen Erlebnis, das wohl keiner schnell vergessen kann. Denn die Schauspieler:innen schaffen es, auch durch die mächtigen Wände eine emotionale Bindung zu den anderen Figuren und dem Publikum aufzubauen. Auffällig sind ebenfalls die mächtigen Masken, die die Königinnen zeitweise tragen. Ein Zeichen für Gefühllosigkeit bei Einnahme des königlichen Amts durch Abdeckung der eigenen Mimik?

Trotzdem sorgen lange Redeanteile und Monologe für eine träge Atmosphäre, welche die Faszination über die Leistung der Schauspieler:innen in den Hintergrund stellen. Weiter muss beachtet werden, dass das Stück ohne jegliche Pause eine beachtliche Länge von 2 Stunden und 15 Minuten besitzt. Ein bisschen anstrengend und nichts für schwache Nerven!

Hinter all diesen positiven und negativen Aspekten bleibt eins fraglich: Ist ein Besuch lohnenswert?

Definitiv ja! Die Modernisierung des Stückes eröffnet eine gesellschaftskritische Sichtweise. Eine Kluft zwischen Macht und Einsamkeit regt das Publikum zum Nachdenken an und hinterfragt die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Die Schauspielerin der Königin Elisabeth schafft es dabei, die Komplexität ihres Charakters in ihr zu vereinen. Ihr Schauspiel eröffnet eine neue Sichtweise auf die vermeintlich eiserne Königin ohne jedes Anzeichen an Empathie. Bemerkenswert!

Zu bewundern bleibt auch die Leistung eines Schauspielers, der kurzfristig nach einem Ausfall einspringt und trotz alledem die Rolle seines Charakters Leicester perfekt einnimmt. Ein dickes Skript mit sehr viel Text. Zwischendurch ist erkennbar, dass der Schauspieler seine Textstelle nicht findet und es so zu einer Pause kommt. Ein dummer Fehler? Ganz im Gegenteil: Genau an diesen Stellen wird die Magie des Theaters deutlich. Improvisieren! Und genau diese Fähigkeiten, aus ungeplanten Missgeschicken neue Szenen zu erschaffen, ist die bewundernswerteste Leistung der Schauspieler:innen.

Letztendlich muss festgehalten werden: Jeder besitzt einen anderen Geschmack. Ob einem das Stück also gefällt, ist sehr personenabhängig. Deshalb…überzeugt euch selbst!