von Saniya Fu (LK De Q3, Fr. Schubert)
Kaum ein Name ruft so viel Faszination und Schrecken zugleich hervor. Kaum ein antiker Stoff hat über die Jahrhunderte hinweg zu so vielen Deutungen angeregt wie der Medea Mythos, welcher in der Version des Tragödiendichters Euripides 431 vor Christus uraufgeführt wurde und nun, etwa 2442 Jahre später, auch als inszeniertes Theaterstück unter der Regieführung von Mathias Thalheimer im Berliner Ensemble aufgeführt wurde. Auf die Frage, ob man die moderne Theaterinszenierung des antiken Dramas als eine durchaus gelungene Theatererfahrung ansehen kann, habe ich nun eine Antwort. Bleibt dran!
Die Protagonistin Medea wurde von Jason verlassen, woraufhin ihr und ihren Kindern Verbannung droht. Während Medea ihr Überleben sichern muss, erhält Jason durch die Heirat mit der Königstochter das definitive Bleiberecht. Zutiefst verletzt von diesem Verrat, entschließt sich Medea aus Rache dazu, ihre gemeinsamen Kinder zu töten.
Zu bewundern ist die Rolle Constanze Beckers, deren Darstellung der Medea sowohl intensiv als auch emotional ergreifend ist, wobei sie das Publikum durch ihre schauspielerischen Fähigkeiten und ihre fesselnde Mimik in ihren Bann zieht. Auch die Nebenrollen wie die Rolle der Amme oder Jason sind hervorragend besetzt, wobei jede Figur ihre Rolle einzigartig verkörpert und so das komplexe Geflecht von Beziehungen und Emotionen in der Geschichte zum Leben erweckt wird. Nichtsdestotrotz ist es fragwürdig, dass der Chor der korinthischen Frauen ausschließlich durch eine einzige Schauspielerin besetzt wurde (Bettina Hoppe), was keineswegs den Sinn eines Chors erfüllt. Demzufolge bleibt bedauerlicherweise auch das Einsetzen chorischen Sprechens aus, was im Ursprung ein bedeutendes Merkmal des Stückes darstellte. Darüber hinaus verleiht Thalheimer der Frauenrolle eine neue Dimension, indem er eine Frauenfigur konzipiert, welche ihre Umgebung durch Intellektualität, Schönheit, rhetorische Kraft und kämpferische Entschiedenheit überragt.
Wenn man jedoch das Bühnenbild genauer unter die Lupe nimmt, mehren sich bei mir persönlich Zweifel, ob die schauspielerischen Leistungen einzig und allein ausreichend sind, um dem Theaterstück eine gute Note zu verleihen.
Dunkel, minimalistisch, karg… Schlagworte, die das Bühnenbild der Theaterinszenierung auf den Punkt bringen. Auf der einen Seite habe ich zu Beginn angenommen, dass die reduzierte und sparsame Ausstattung an Requisiten den Fokus ausschließlich auf die Schauspieler richten soll, was keineswegs abzustreiten ist. Jedoch wird durch die differenzierte Ebenenverteilung der Schauspieler eine gewaltige Kluft hergestellt, wodurch die Identifikation des Publikums mit den Schauspielern kaum möglich ist.
Hinzu kommt, dass die Figuren während der Dialoge keinen Augenkontakt halten, sondern stattdessen ihre Blicke größtenteils nach vorne richten und in einer „eingefrorenen“ Position stehen bleiben, was Distanz und fehlende Interaktion ebenfalls verstärkt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig anzumerken, dass die Dialoge durch ihre verblüffende Länge und die fehlende Interaktion die Form eines Monologs annehmen, was definitiv zu kritisieren ist.
Dadurch hat es im Verlauf des Stücks den Anschein, als sei ein Erzähler involviert, welcher das Geschehen und die Handlung von außen beschreibt.
Zudem wird ein kühler Lichtstrahl meist gezielt auf eine Person gerichtet, zum Großteil auf die Protagonistin Medea, wodurch der verbleibende Platz auf der Bühne äußerst dunkel erscheint und die Schauspieler aus den hinteren Reihen des Publikums sowie aus den Logen nur schwer zu sehen sind.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Bewertung des Theaterstücks auf subjektiven Wahrnehmungen und Interessen basiert. Für Liebhaber dunkler und emotionaler Inszenierungen ist das Stück „Medea“ ein Muss, doch ich kann nur für mich sprechen, wenn ich sage, dass die moderne Inszenierung keinen Theaterbesuch wert ist!