Ein Beitrag von Resa (Q3).
Im Frühsommer verhandelte die EU über einen Deal mit der Türkei. Die Türkei wird dabei als vertrauenswürdiger „Verhandlungspartner“ dargestellt und zu einem sicheren Herkunftsland gemacht, das sie nie war und nach dem versuchten Militärputsch und dem darauffolgenden erstarkenden türkischen Nationalismus für Geflüchtete und unliebsame Minderheiten, wie Kurd*Innen und Alevit*innen, noch weniger ist. Im Rahmen des Projekttags an der Fichte fand genau zu diesem Thema eine Podiumsdiskussion statt. Unterschiedliche Teilnehmer*innen des Podiums konnten sogar Erfahrungsberichte über die Situation in der Türkei sowie die Lage der Geflüchteten auf Lesbos geben. Ergebnis dieser Diskussion war, dass sich die Türkei immer weiter von einem demokratischen Staat und somit legitimen Verhandlungspartner*In weg entfernt und es gerade deswegen keine andere Möglichkeit als die Aufnahme von Geflüchteten gibt, da die Situation in Lagern in Südeuropa menschenunwürdig ist. Zusätzlich kommen jeden Tag mehr Menschen, die sich gezwungen sehen zu fliehen. Zu Fuß, übers Meer, manchmal Tage, manchmal Jahre unterwegs.
Konflikte gibt es in vielen Teilen der Welt, sei es in der Türkei, durch den Krieg und die Gefahr des IS in Syrien, durch autoritäre und unterdrückerische Systeme wie in Eritrea, durch weitere Militärdiktaturen oder von Milizen bedrohte Regionen in Afrika, aber auch die politische Lage in westlichen Ländern wie Amerika bröckelt. Das Land ist vor der Wahl gespalten und der Wahlkampf ist geprägt von Skandalen, Hetze und Populismus. Zugleich wird in der jetzigen Debatte vergessen, dass es nicht nur neue Krisenherde und instabile Länder gibt, sondern auch Konflikte, die schon jahrzehntelang anhalten und in denen die Menschen über Generationen hinweg schon in Flüchtlingslagern unter sehr schlechten Bedingungen leben. So zum Beispiel in Kenia, wo sich das größte Flüchtlingslager der Welt befindet (ca. 600.000 Menschen) und wo Menschen leben, die u.a. aus dem Südsudan oder Somalia fliehen mussten.
Die Welt brennt, doch Europa schaut zu.
Und in Europa selbst wird Rechtspopulismus zum neuen, alten Trend von Frankreich und Le Pen über Ungarn und Hofer. In der BRD gewinnt die rechtspopulistische AfD bei den Wahlen vor allem die Massen der Nichtwähler*innen. Rassistische Übergriffe nehmen zu. Mittlerweile weichen sogar so genannte linke Parteien von ihrem Kurs, sodass auch die SPD eine Obergrenze fordert und die Linke – vertreten durch Sahra Wagenknecht – mit Sätzen wie „Wer sein Gastrecht missbraucht, der hat sein Gastrecht eben auch verwirkt.“ auffallen. Es ist anscheinend endgültig wieder O.K. Rassist*in zu sein.
ABER, das sollte nicht so sein. Jede*r Mensch, der vor Verfolgung oder Krieg flieht, muss ein Anrecht auf Asyl haben, ansonsten könnten wir das Asylrecht aus sämtlichen Gesetzbüchern streichen. Gute oder schlechte Geflüchtete gibt es nicht, es sind Menschen wie alle anderen auch mit Stärken und Fehlern. Rassismus ist keine Lösung, spaltet die Gesellschaft und muss in jeder Form bekämpft werden.
Jetzt ist schon wieder ein halbes Jahr rum und die Lage von geflüchteten in der EU hat sich nicht verbessert – ganz im Gegenteil! Der EU-Türkei-Deal sowie der starke antieuropäische Kurs, der sich sowohl im Brexit als auch in den Wahlen in Österreich und der Abschottung weiterer europäischer Länder zeigt. Der Anstieg von Rassismus in der Gesellschaft hat die EU stark erschüttert. Mitte September standen in Berlin die Regionalwahlen an und die rechtspopulistische AfD zog dank vieler Stimmen unter anderem aus Steglitz-Zehlendorf ins Abgeordnetenhaus ein, d.h. dass sie über alle politischen Prozesse mitentscheiden darf, so auch über Fragen die Jugendliche, Schulen Migrant*innen oder Projekte gegen Rechtsextremismus betreffen.
Am 6.9. konnten Jugendliche eine Kundgebung der NPD mit lautstarkem Protest am Rathaus Steglitz vorzeitig beenden. Jetzt da die AfD erstmal im Abgeordnetenhaus ist, wird Protest gegen sie und ihren Rassismus nicht mehr so einfach sein wie gegen die NPD. Wenn wir diesen besiegen wollen, müssen wir aktiv werden. Und nicht vergessen, Rassismus beginnt im Kopf! Menschen aufklären, in die Diskussion treten, uns einmischen. Die Jugend ist die nächste Generation und kann die Gesellschaft verändern, außerdem ist sie noch nicht so deprimiert, wie es viele ältere Antirassist*innen sind. Unter dem Motto „Rassismus stoppen“ ruft das bundesweite Bündnis Jugend gegen Rassismus in mehreren Städten u.a. in Berlin am 29.9. wieder dazu auf die Schule zu bestreiken. Sie sehen das Mittel des Streiks, das sonst nur Erwachsenen in ihrem Lohnkampf zur Verfügung steht, als ein Sich-weigern an. Gemeinsam wollen sie sich weigern, die jetzige Situation in Berlin, Deutschland und Europa hinzunehmen. Mit vielen anderen Jugendlichen wollen sie auf der Straße ein Zeichen setzen und klar machen, dass sie keinen Bock mehr auf Rassismus und menschenunwürdige Behandlung von Geflüchteten haben, sie wollen keine Bilder mehr aus Orten wie Lesbos, wo die Menschen auf engstem Raum zusammen gepfercht leben müssen und selbst Hilfsorganisationen sich zeitweise zurückgezogen haben.
Die Demonstration während der Schulzeit findet am 29.9. am Alexanderplatz statt und alle Schüler*innen und Azubis sind dazu aufgerufen, sich dieser Gesellschaft zu verweigern. Schüler*innen haben im Allgemeinen kein Druckmittel wie es Erwachsene haben, die ihren Arbeitsplatz bestreiken, aber sie können zeigen, dass sie die Gesellschaft nicht mehr mittragen wollen und nicht mehr mitspielen. Einfach Mal aus der Reihe tanzen. Das einzige was sie in Kauf nehmen ist ein Fehltag. Doch was ist schon ein Fehltag, wenn man gegen Rassismus auf die Straße gegangen ist, Farbe bekannt hat, in einer Gesellschaft die aus Ungerechtigkeit und vielen Dingen besteht, die uns Schüler*innen nicht passen und die wir ändern wollen? In einer Gesellschaft ohne Rassismus, aber auch ohne Leistungsdruck gibt es dann wahrscheinlich auch keine Fehltage mehr, oder?
Schulstreik, 29.9., Alexanderplatz, 11h