Allgemein, Schulleben

Artikel zum Willkommensklassen-Jubiläum – Vom Anpacken und Ankommen

Ein Artikel von Resa (Q3)

Den meisten wird es mittlerweile aufgefallen sein, dass die Fichte zwei sogenannte „Willkommensklassen“ [1] eingerichtet hat. Spätestens durch das Bewerben für das Paten*innensystem letztes Jahr wurde publik, dass wir endlich geflüchteten Schülern*innen eine Möglichkeit der Beschulung bieten. Und dafür hatten wir lange gekämpft.  Nicht, weil es so äußerst populär wäre. Viele Schulen wollten, bis man sie dazu zwang, gar keine Geflüchteten aufnehmen, sondern weil es das Richtige ist. Alle haben ein Recht auf Bildung.

Uns als Schule, praktisch umgesetzt aber vor allem durch die KaGeRa, war wichtig, dass wir unseren neuen Mitschülern*innen anders begegnen, denn wir hatten aus vielen Schulen schon mehr Negatives als Gutes gehört. Wenig Kontakt zwischen den „alten“ Schülern*innen und den „neuen“ Schülern*innen, ja sogar Zäune an Schulen, bei denen die Sporthalle zur notdürftigen Unterkunft wurde oder Warnmails an Eltern sowie der Versuch den Kontakt gar nicht erst möglich zu machen. Das sollte also Integration sein? An manchen Schulen wussten einige Schüler*innen anfangs gar nicht, dass es „Willkommensklassen“ gab. Wir wollten das alles anders machen. Ein Konzept musste her. Darüber entstand das Paten*innensystem, an dem schon viele noch vor dem Eintreffen der Neulinge Interesse hatten. Die KaGeRa stellte das System im prallgefüllten Zeichensaal vor und Dutzende trugen sich ein. Für uns als KaGeRa war das damals ein gutes Gefühl, was unsere Überzeugung, dass es richtig war, uns so lange für Willkommensklassen einzusetzen, nur noch bestärkte. Schließlich hätte die Schulgemeinschaft das Projekt auch weniger gut aufnehmen können.

Nicht alles hat immer reibungslos geklappt hat, schließlich gingen alle Beteiligten selber noch zur Schule. Sprachbarrieren mussten überwunden werden, auch sind nicht alle Gruppen miteinander warm geworden (das ist menschlich!) oder man musste sich nach kurzer Zeit wieder verabschieden. Für alle war das eine komplett neue Situation. Die gut gemeistert wurde.

Gemeinsame Aktionen, an denen sich wieder viele Schüler*innen beteiligten, folgten. Wir gingen zusammen ins Bowling-Center oder kochten, was im Übrigen super lecker war und wir wiederholen sollten. Einige trafen sich freitags zum Fußball und jetzt gibt es einmal im Monat einen Spielenachmittag, der für alle offen ist.

Ein Jahr ist vorüber, viele haben neue Freunde*innen gefunden, andere neue Freunde mussten uns leider schon wieder verlassen. Einige alte Schüler*innen konnten eine Hilfe beim Eingliedern sein und haben teilweise nicht nur Deutsch gelehrt, sondern sind selber um eine neue Sprache reicher geworden.  Manche der Schüler*innen aus den „Willkommensklassen“ nehmen am Unterricht der „Regelklassen“ teil und das nach so kurzer Zeit.

Ein Jahr vergeht wie im Flug und jedes Jahr kommen neue Schüler*innen an die Fichte, wie bei jeder anderen Schule auch. Macht das im Schulalltag dann noch einen wirklichen Unterschied, ob Mensch geflüchtet ist oder nicht?
Nein.  Meiner Meinung nach nicht, denn Integration von jedem neuen Teil einer Klasse, einer Schule oder der Gesellschaft, kann nicht bedeuten, dass alle gleich sagen: „Ach guck mal, da ist ja der*die Neue“. Im Gegenteil. Bei gelungener Integration sind die neuen Menschen Teil von etwas, in unserem Fall der Schulgemeinschaft. Und können ebenso die Möglichkeit nutzen in der Masse unterzugehen, wie jede*r andere auch. Oder aber sich gelegentlich in den Mittelpunkt stellen, durch besondere Fähigkeiten oder Charaktereigenschaften. Neu sein ist nämlich keine Fähigkeit, ebenso wenig wie geflüchtet sein eine ist. Also müssen wir endlich alle damit aufhören, Menschen nur auf eine Sache zu reduzieren, das verhindert nämlich, sowohl dass mensch sich besser kennenlernt als auch Integration, wonach ganz Deutschland zu schreien scheint.

Natürlich ist auch bei uns nicht alles Gold, was glänzt, und eine vollständige Integration kann es erst dann geben, wenn so etwas wie Willkommensklassen aufgelöst werden und die neuen Schüler*innen viel schneller in die „Regelklassen“ kommen, dort aber weiterhin alle bedarfsgerecht gefördert werden, sodass jede*r die Hilfe bekommt, die er*sie benötigt. Trotzdem ist die Fichte auf einem guten Weg.

Schickt uns gerne auch eure Meinung zu dem Thema! Einfach an:  fichtenblatt@fichtenberg-oberschule.net schreiben.

[1] Der Begriff Willkommensklassen ist ein wenig problematisch, da es zwar die „Willkommenskultur“ der BRD suggerieren soll, Geflüchtete aber zumeist nicht willkommen sind, weder vom Staat, der viele wieder abschiebt und alles daran setzt, dass keine mehr in die EU kommen, noch vom Mob auf der Straße. Zusätzlich schafft dieser Begriff eine Distanz zwischen Mir und Dir oder Wir und Sie. Zwar ist eine Sprachlernklasse für viele, die weder Deutsch noch Englisch sprachen, als sie ankamen, oder noch nie eine Schule vorher besucht hatten, notwendig, allerdings schafft der Name und der Umstand der Klassen einen Sonderstatus, der hinderlich für Integration ist. Denn man kann nie wissen, wann ein*e neue*r Mitschüler*in abgeschoben wird oder die Schule wechseln muss. Außerdem suggeriert es, dass diese Schüler*innen nur aus einem Akt der Nächstenliebe beschult werden, obwohl in der BRD nicht nur allen, ungeachtet ihrer*seiner Herkunft oder ihres*seines Geschlechts eine Beschulung zusteht, sondern eine allgemeine Schulpflicht herrscht. Außerdem, was ist der Unterschied zwischen einer „Willkommensklasse“ und einer „normalen“, ist das dann eine „Nicht-Willkommensklasse“?