Allgemein, Politik

UN – machtlos, handlungsunfähig, überflüssig?

Flagge der Vereinten Nationen (11. Oktober 2008, San Francisco)
Photo: Makaristos (https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Makaristos)

Die Rede entstand im Rahmen eines Grundkurses Politikwissenschaft Q4. Informationen zur Aufgabenstellung und Materialgrundlagen siehe [1].

Eine Rede von Lea Rosner (Q4)

Die Vereinten Nationen (UN) – machtlos, handlungsunfähig, überflüssig? Das sind harte Worte, um eine Organisation zu beschreiben, der fast alle Staaten der Erde angehören. Zu den Hauptzielen der UN gehören die Wahrung des Weltfriedens und der Menschenrechte, die Beendigung und Vermeidung von Konflikten, sowie die Bekämpfung von Hunger und des Klimawandels. Sie basiert dabei auf dem Prinzip der kollektiven Sicherheit, wozu auch Universalität, Gleichberechtigung und ein Selbstbestimmungsrecht gehören. Die einzelnen Mitgliedsstaaten wahren ihre Souveränität; allerdings müssen sie sich dabei an die Regeln der UN-Charta halten.

Diese Ziele klingen ehrenwert und es wird wohl niemand widersprechen, wenn es um friedliche Konfliktbeilegung geht. Jedoch ist die UN in Wirklichkeit deutlich weniger handlungsfähig, als sie es vorgibt zu sein. Auch die demokratische Legitimierung und Gleichheit aller Staaten werden häufig in Frage gestellt. Grund dafür gibt der UN-Sicherheitsrat, das höchste Organ der Vereinten Nationen. Während in der Generalversammlung alle Staaten das gleiche Stimmrecht haben, gibt es im Sicherheitsrat fünf ständige Mitglieder, die dazu auch noch ein Vetorecht besitzen. Diese sind entweder wirtschaftliche Supermächte und/oder die Sieger des Zweiten Weltkrieges. Ob das als Legitimationsgrundlage ausreichend ist, ist fraglich. Das Vetorecht steht außerdem oft einer Intervention im Weg. Die Vetomächte sind in ihren Demokratievorstellungen und Interessen dermaßen verschieden, dass es häufig zu einer Blockade im Sicherheitsrat kommt. So zum Beispiel im Fall Syrien.

In der UN-Charta ist verankert, dass die UN nur bei Konflikten zwischen verschiedenen Staaten aktiv wird; ausgenommen sind systematische Menschenrechtsverletzungen. Jedoch liegen viele Konflikte mittlerweile auf innerstaatlicher Ebene, was ein Einschreiten der UN erschwert.

Die UN finanziert sich durch Pflichtbeiträge und freiwilligen Beiträge der Mitglieder. Auch hier sind wirtschaftlich starke Staaten im Vorteil. Sie können ihre Beiträge zurück halten, um die UN unter Druck zu setzen und so ihre eigenen politischen Interessen durchzuzwingen. Da die Staaten ihre Souveränität vollends behalten haben, ist die UN in diesem Punkt machtlos und nicht in der Lage Sanktionen einzuleiten.[2] Handlungsschwach ist die UN auch, da ihr häufig die Mittel fehlen, um in interstaatlichen Konflikten wirksam intervenieren zu können. Es fehlt an personeller und materieller Ausstattung.

Diese Liste an Kritikpunkten könnte man noch länger fortführen.

Reformvorschläge gibt es viele. So gibt es beispielsweise die Idee, den Sicherheitsrat zu vergrößern. Staaten wie Deutschland, Japan, Südafrika, Argentinien und Indien erheben Anspruch auf einen Platz im höchsten UN-Gremium, entweder aufgrund ihrer Wirtschaftsleistung oder der Bevölkerungsanzahl. Der Vorteil einer Erweiterung wäre eine größere Legitimierung, da so auch andere Regionen der Erde vertreten werden könnten. Der Effizienz würde die Erweiterung wohl eher schaden. Durch das Vetorecht kommt es selbst bei den jetzigen Mitgliedern zu so häufigen Blockaden, dass im Falle, [einer Vergrößerung des Sicherheitsrates; S. Lang], eine Konsensfindung nahezu unmöglich wäre.

Ein Vorschlag von Seiten Frankreichs ist es, dass das Vetorecht nicht im Falle humanitärer [Massenverbrechen, z.B. Völkermord; S. Lang] eingesetzt werden solle. Dadurch würde eine Intervention nicht durch die persönlichen Interessen der Vetomächte verhindert werden.

Ich halte diese Einschränkung für förderlich. Wenn Menschenrechte in massivster Weise verletzt werden, sollte keine Rücksicht auf rein politische und wirtschaftliche Interessen eines einzelnen Landes genommen werden. Hier zählen höhere Werte.

Die Staaten sollten außerdem einen gewissen Anteil ihrer Souveränität an die UN übertragen. Dass sie trotz der Mitgliedschaft so vieler Staaten nicht in der Lage ist zu sanktionieren, wie im Falle nicht bezahlter Beiträge, schwächt ihre Glaubwürdigkeit.

Ob diese Vorschläge jedoch wirklich umgesetzt werden, steht in den Sternen. Dass die anderen Vetomächte bereit sind, weitere ständige Mitglieder in den Sicherheitsrat aufzunehmen oder gar ihr Vetorecht einzuschränken, ist unwahrscheinlich. Wenn sich jedoch nicht grundlegend etwas ändert, wird die UN keine Zukunft haben. Trotz der Globalisierung halten viele Staaten an ihrer vollständigen Souveränität fest. Wenn sich die Staaten nicht bereiterklären einen Teil dieser an die UN abzutreten und so die Beschlüsse verbindlicher zu machen, wird die UN vor allem aufgrund der verstärkten innerstaatlichen Konflikte in die Bedeutungslosigkeit abrutschen.

Eine Organisation, die weltweit agiert, der fast alle Staaten angehören und die die Umsetzung der Menschenrechte fördern will, ist gerade in diesen aufgewühlten Zeiten notwendig. Deswegen sollte die UN unbedingt weiter bestehen. Wenn es jedoch nicht zu Reformen kommt, die die Legitimität und vor allem die Effizienz steigern, wird die UN machtlos, handlungsunfähig und überflüssig werden.

[Es wurden nur minimale sprachliche Änderungen vorgenommen. Wesentliche Ersetzungen von Begriffen wurden durch eckige Klammern kenntlich gemacht. S. Lang.]

[1]
Aufgabenstellung: Verfassen Sie eine Rede (mind. 4 Min.; maximal 8 Minuten) zur Frage: „UN – machtlos, handlungsunfähig, überflüssig?“
Setting: Sie sind unabhängige*r Wissenschaftler*in (Prof. für Internationale Beziehungen an der FU Berlin) und halten bei der Jahreskonferenz der SWP (Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches Institut für internationale Politik und Sicherheit) eine Rede zum oben genannten Thema.
Materialgrundlage:
– Gareis, Sven Bernhard: UNO – Stärken und Schwächen einer Weltorganisation, in: Internationale Sicherheitspolitik, Informationen zur politischen Bildung, Heft 326 (02/2015), S. 50-55.
– Calame, Pierre: Völlig neu, in: The European. Das Debatten-Magazin, 25.02.2012.
URL:
www.theeuropean.de/pierre-calame/2866-probleme-von-global-governance [Letzter Zugriff am 03.02.2017.]

[2] Nach Artikel 19 der UN-Charta verliert ein Land jedoch sein Stimmrecht in der Generalversammlung, wenn es mit der Zahlung seiner finanziellen Beiträge für zwei Jahre im Rückstand ist. Ausnahmen sind durch Beschluss der Generalversammlung möglich. [S. Lang, Kursleiter]