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„Jenseits der blauen Grenze“ (Dorit Linke)

Eine Rezension von Maurice Rosenbaum (Q4)

Jenseits der blauen Grenze“ ist ein Roman von Dorit Linke, der 2014 im Magellan Verlag veröffentlicht wurde. Es ist der erste Roman von Dorit Linke und handelt von zwei beziehungsweise drei Jugendlichen in der DDR. Das Thema ist vornehmlich die sozialistische Jugend in der DDR, die sich zwischen jugendlicher Leichtsinnigkeit und ernsthaften Konsequenzen zurechtfinden muss. Hanna ist Protagonistin und Ich-Erzählerin. Sie und ihr bester Freund Andreas besuchen die Erweiterte Oberschule in Rostock. Im Verlauf des Buches kommt Jens Blum auf die Schule, der zuvor in Dresden wohnte. Die drei freunden sich an und verbringen ihre Freizeit miteinander. Das ändert sich allerdings als Sachsen-Jensi, wie er von Hanna und Andreas genannt wird, dank eines Ausreise-Antrags die DDR verlassen darf und gen Westen zieht. Aufgrund einer Protestaktion von Hannas Großvater werden sie und Andreas der Schule verwiesen und von allen Bildungsmöglichkeiten sowie Sportangeboten ausgeschlossen. Nun liegt die Zukunft der beiden in Trümmern und sie sind gezwungen im Dieselmotorenwerk Rostock zu arbeiten. Daraufhin fällt Andreas eine Entscheidung: Er möchte fliehen, über die Ostsee, bis nach Fehmarn schwimmen. Hanna schließt sich ihm an.

Linke spricht mit ihrem Roman nicht nur Leser*innen an, die interessiert am Leben und Alltag in der DDR sind, sondern auch diejenigen, die diesen selbst erlebt haben. Sie wuchs selbst in der DDR auf und war im Jahr 1989 beim Mauerfall 18 Jahre alt. Sie sagt, sie habe den Mauerfall bewusst miterlebt. Ihr eigenes Erleben wird in gewissem Maße im Buch widergespiegelt, denn sie war selbst Leistungssportlerin und Rettungsschwimmerin und war zum Abitur zugelassen, genauso wie Hanna. Dass sie das alles am eigenen Leib erlebt hat, wird vor allem durch ihren Schreibstil bemerkbar. Sie verwendet viele Abkürzungen und Begrifflichkeiten aus der DDR, die lediglich ohne Verweis in einem Glossar am Ende erläutert werden. Auch spielt sie mit Klischees und Vorurteilen, vor allem Sachsen-Jensi gegenüber, die damals sehr verbreitet waren und bindet diese geschickt in die Geschichte der drei Jugendlichen ein.

Die Autorin schafft es durchweg ein genaues Bild des Alltags unter der Autorität der DDR zu zeichnen, ohne dabei zu langweilen. Immer und überall sind die Jugendlichen jemandem unterstellt, nie sind sie frei. Das erzeugt nichts mehr als den sehnlichen Wunsch nach Freiheit, der sie sogar zu einem absolut tödlichen Fluchtmanöver bewegt.

Besonders ist auch der Schreibstil, denn die Kapitel spielen abwechselnd in der Gegenwart, in der sich Hanna und Andreas bereits auf der Ostsee befinden, und in der Vergangenheit, die zumeist als eine Art Flashback bzw. Erinnerung Hannas auftauchen. Das macht das Buch durchgängig relativ spannend, da der Nervenkitzel der Flucht immer wieder angeregt wird.

Die Flucht über die Ostsee versuchten damals viele Menschen, allerdings schafften es nur wenige. Auch Andreas und Hanna verlangt die Flucht alles ab. Gerade dieser Abschnitt, in dem die beiden an ihre Grenzen kommen, zeigt die schriftstellerischen Qualitäten von Linke, die zeitweise fast nur Hauptsätze benutzt, um die Einfachheit und gleichzeitig die Gefahr zu beleuchten, der Hanna und Andreas ausgesetzt sind.

Insgesamt ist das Buch jeder*m zu empfehlen, die*der ein geschichtliches Interesse am Leben in der DDR hat. Wer das nicht hat, sollte sich zu Beginn des Buches nicht vom Weiterlesen abbringen lassen. Anfangs scheint der Spannungsaufbau einige Anfahrtsschwierigkeiten zu haben, die allerdings später ausgebessert werden. Das Durchhalten lohnt sich, denn im Verlauf des Buches wird die Geschichte der zwei Jugendlichen wirklich fesselnd dargelegt und gerade für jemanden, der es nicht miterlebt hat, kann dieses Buch eine genaue Vorstellung vom Leben in der DDR vermitteln.