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„Die Hölle von Torgau“ (Kerstin Gueffroy)

Eine Rezension von Joane Opfer (Q4)

Der geschlossenee Jugendwerkhof Torgau – oder auch „Margots Kinder-Kz“ – war ein Musterbeispiel für die menschenunwürdigen Umerziehungslager der DDR. Die Autobiografie von Kerstin Gueffroy „Die Hölle von Torgau – Wie ich die Heim-Erziehung der DDR überlebte“ erstmals erschienen im Jahr 2015, behandelt ihre Kindheit in Kinder- und Jugendheimen der DDR, darunter auch der Jugendwerkhof Torgau.

Die Autorin berichtet von ihren ersten Erlebnissen in Kinderheimen der DDR, bis hin zu ihrem Leben nach ihrer Entlassung und den immer noch anhaltenden Spätfolgen der Grausamkeiten.
Durch den autobiografischen Charakter und die dadurch einhergehenden persönlichen Gedanken und Gefühle von Kerstin Gueffroy gewährt das Buch einen sehr tiefen Einblick in das tägliche Leben eines*r Jugendlichen in einem DDR-Heim. Es zeigt die unvorstellbaren Verhältnisse, die für Kerstin Gueffroy seit dem neunten Lebensjahr prägend waren und auch noch nach Jahren Spuren hinterlassen haben.
Seit ihrer Einlieferung und bis zu ihrer Entlassung wurde ihr die freie Entscheidung über Körper und Geist gänzlich vom Staat abgenommen und sie war diesem somit vollkommen ausgeliefert.

Während sie ihren Aufenthalt im Jugendwerkhof Hummelsheim, in dem sie den größten Teil ihrer Jugend verbrachte, beschreibt, wird klar, dass dieser bereits von unmenschlichen Verhältnissen beherrscht wird. Durch den beschriebenen Zwangsaufenthalt in Torgau wird die Kontrolle des Staates jedoch noch deutlicher, so wird den Jugendlichen durch Verbreitung von Angst und Entzug von sämtlichen positiven zwischenmenschlichen Beziehungen der Wille zum Widerstand ausgetrieben.

Die Botschaft, die Kerstin Gueffroy vermitteln möchte, wird sehr schnell deutlich. Zum einem möchte sie durch die Erzählung ihrer Erlebnisse sicherstellen, dass die Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät, sie aber vor allem auch nicht verschwiegen wird. Sie möchte ein Bewusstsein schaffen für die Geschehnisse, sodass man aus diesen lernen kann, Autorität und Macht nicht auszunutzen.

Auf der anderen Seite liegt der Autobiografie eine therapeutische Wirkung zugrunde, die Kerstin Gueffroy helfen soll die Ereignisse, vor allem die Erinnerungen aus Torgau, zu verarbeiten. Sie will mit ihrer Geschichte besonders junge Menschen motivieren, Handlungen stets zu reflektieren, sodass kein* andere*r unter ihnen zu leiden hat.

Die Autobiografie, wird durch den primären Quellencharakter zu einem wichtigen literarischem Werk. Sie verdeutlicht die Bedeutsamkeit der Aufarbeitung, besonders für die Menschen, die unmittelbar von den Ereignissen in der DDR betroffen waren. Sie spricht außerdem wichtige Themen an, die noch während des Bestehen der DDR beschönigt worden sind, die nun aber durch die Schilderungen der Betroffenen die wahren Verhältnisse aufdeckten.

Sie stellt gut dar, wie weitgehend die betroffenen Menschen von den Grausamkeiten der Erzieher*innen sowie des nicht vorhandenen Vertrauens unter den eingesperrten Jugendlichen geschädigt worden sind. Deswegen bietet sie eine gute Möglichkeit, den Prozess einer solchen grausamen Schädigung zu beobachten, wodurch gleichzeitig auch im Verlauf dieses Prozesses die belehrende Wirkung in den Vordergrund gerät.

Somit stellt das Werk von Kerstin Gueffroy eine wichtige Grundlage für die Aufarbeitung dar. Des Weiteren wird durch die Erzählung ihrer Geschichte gewährleistet, dass auch Jugendliche, die besonders durch die leichte Sprache angesprochen werden, eine reflektierte Haltung einnehmen können.
Die leichte Verständlichkeit und vor allem die persönlichen Gefühle von Kerstin Gueffroy machen ihre Autobiografie zu einem zum Denken anregenden Werk, welches besonders für Jugendliche zu empfehlen ist.