Allgemein, Politik

Analyse des Songs „Hüpfburg“ (Sookee)

Der Song „Hüpfburg“ erschien auf dem 2017 veröffentlichten Album „Mortem & Makeup" .

Ein Beitrag von Noëlle Karberg (Q1).

Diese Liedtextanalyse entstand als freiwilliger Beitrag im Rahmen des Leistungskurses Politikwissenschaft Q1. In den PW-Kursen des ersten Oberstufensemester wird das Themenfeld „Gegner der Demokratie“  unterrichtet. Der Song „Hüpfburg“ erschien auf dem 2017 veröffentlichten Album „Mortem & Makeup“ .

Wir alle kennen Elemente rechtsextremer Ideologien und wir alle haben stereotypische Menschen vor Augen, die diese Ideologien vertreten. Da wäre zum Beispiel der klassische Stiefel-Nazi, die frustrierte Ex-DDR-Rentnerin oder harmlos wirkende Familieneltern, die aber versuchen, ihre Kinder von den angeblich „türkischen Kindern“ auf dem Spielplatz fernzuhalten. All diese Menschen haben eine Sache gemeinsam: sie agieren aus Protest und Frustration, fühlen sich von der restlichen Gesellschaft nicht Ernst genommen. Doch was passiert mit deren Kindern? Wie ergeht es Menschen, die nichts anderes lernen, als diese Ideologien? Man könnte fast meinen, wir alle seien einer Beeinflussung unserer politischen Neigungen durch unser Umfeld ausgesetzt, warum sollte dies also nicht auch in rechtsextremen Kreisen so sein?

Mit dieser Frage hat sich auch  die Rapperin Sookee in ihrem Song „Hüpfburg“ auseinandergesetzt. Der Text erzählt die Geschichte einer Kindheit unter Rechtsextremen.

Bereits in der ersten Strophe wird deutlich, dass das Kind die Auffassungen seiner Eltern als die einzig richtigen vermittelt bekommt, sie hätten „die Welt verstanden“.  Mit Äußerungen wie „das Böse ist andersartig“ wird die für Rechtsextremismus typische Xenophobie angedeutet, die dem Kind bereits im jüngsten Alter angeeignet wird. Es folgt eine Beschreibung des Heldenkults innerhalb der Familie, der vor allem durch Führer- und Soldatenehrung in der NS-Zeit für rechtsextreme Gedanken als wichtig geprägt wurde. Laut des Vaters seien sie „rein und leben für den Widerstand“ und der Erzähler des Liedes strebt an, „auch einer dieser Helden“ zu werden.

Da der Name oder das Geschlecht des Kindes, aus dessen Perspektive die Handlung übermittelt wird, nicht genannt werden, lässt sich das Geschlecht zunächst nicht interpretieren. Achtet man allerdings auf die Wünsche und Träume des Kindes und zieht die ideologischen Umstände in Betracht, ist an Äußerungen wie „Opa kennt von früher spannende Geschichten […] ich will so sein, wie er“ festzumachen, dass es sich um einen Jungen handelt, da die sexistische Rollenverteilung innerhalb der Familie ebenfalls ein Element des hier dargestellten Rechtsextremismus ist. Beispielsweise backe „Mutti […] Gemüsetorte“ und die „Schwester darf ihr helfen“. Diese Rollenverteilung macht sich nicht ausschließlich an den den Erwachsenen zugeordneten Aufgaben bemerkbar, sondern wird auch mit den sozialen Strukturen der Kinder in der zweiten Strophe gezeigt, was nicht nur Aufschluss über die Geschlechterrollen, sondern auch über die Erziehung im Sinne der Ideologie gibt. Demnach wissen bereits die Kinder: „Die Jungen spielen Soldaten und die Mädchen flechten Zöpfe“.  Es ist daher höchstwahrscheinlich, dass es sich um einen Jungen handelt, da die Erziehung nach diesen Werten es einem Mädchen wohl kaum erlauben würde, sich den Ex-Soldaten-Großvater als Vorbild zu nehmen.

Nachdem die erste Strophe vorwiegend die Grundsätze der Familie beschreibt, wird zum Ende dieser erstmalig von Seiten des Jungen Unbehagen bezüglich seiner familiären Umstände bzw. der Erziehung geäußert. Hier wird als weiterer Charakter der türkische Junge Yüksel eingebracht, neben dem der Erzähler des Textes, laut seiner Eltern, nicht sitzen dürfe. Der darauffolgende Refrain beschreibt den inneren Kampf, dem der Junge ausgesetzt zu sein scheint. Die von allen Seiten vermittelte Ausländerfeindlichkeit lässt eine Isolation entstehen, da das Kind einen sich wiederholenden Traum zu haben scheint, indem er türkisch sei und Yüksel deutsch und ihm der deutsche Yüksel sagt, er möge ihn nicht. Daraufhin sei er „ziemlich enttäuscht“ und der Anblick von Yüksel allein auf der Hüpfburg täte ihm leid, was seine Angst vor der Isolation zeigt.

Die Hüpfburg ist hier ein Symbol für den Neonationalsozialismus, dessen Organisationen als Attraktion auf Veranstaltungen oft Hüpfburgen nutzen, um Familien mit Kindern anzuwerben. Darin sieht auch Sookee ein Problem des Nationalsozialismus. Ihrer Meinung nach sei es umso gefährlicher, wenn man auf „Familie und Mitte der Gesellschaft macht“, sagte sie in einem Interview der Sendung „Puls“ des Bayerischen Rundfunks, damit würden nicht nur Kinder für die ideologischen Schieflagen ihrer Eltern instrumentalisiert, sondern eine Verharmlosung der eigentlichen Vorhaben erzeugt. So wirkt auch „Hüpfburg“ zunächst so, als liege der Fokus auf dem Familienleben, bis angesichts des 20. April ein Fest stattfindet, auf dem die Hüpfburg dafür sorge, dass der junge Erzähler seine Probleme mit dem Ausschluss Yüksels vergessen könne. An dieser Stelle wird angesichts des Datums, welches Adolf Hitlers Geburtstag war, der Führerkult des Rechtsextremismus unterstrichen und gleichzeitig eine weitere typische Strategie verdeutlicht: Propaganda, die von den Wertewidrigkeiten der Ideologie ablenkt, zum Beispiel in Form einer Hüpfburg für die Kinder, um sich Unterstützung aus allen Bevölkerungsschichten zu sichern.

In der darauffolgenden Strophe werden Gedanken wie der Hass gegen Behinderte sowie die Gewaltverherrlichung und –akzeptanz der rechtsextremen Szene thematisiert. Des Weiteren legt Sookee erneut die Konzentration auf das Leid, mit dem der Erzähler durch die Xenophobie seiner dominanten Vaterfigur, die „immer Recht“ habe und an dessen Regeln man sich halten müsse, verbunden ist. Die Volksverhetzung gegen Migranten und Flüchtlinge, die hier auch vom Vater, der „auf dem Fest eine Rede halten [darf]“ betrieben wird, werde von der Mutter mit „das Boot ist voll“ unterstützt.

Durch das scheinbar harmlose Milieu, das Sookee in ihrem Song kreiert, werden gezielte Kontraste verdeutlicht und der Fokus auf die Strategie gelegt, die Ideologie des Rechtsextremismus durch vorgebliche Familienfreundlichkeit zu verharmlosen. Es zeigt außerdem, dass es wie in allen politischen Umgebungen Menschen gibt, die Grundsätze hinterfragen und nicht unterstützen, und jeder Jugendliche, oder auch Kinder, sich ihre eigene Meinung bilden können sollten. Neben der Xenophobie, der sexistischen Rollenverteilung innerhalb der Familie, dem Heldenmythos und Führerkult, der Gewaltakzeptanz, der Verherrlichung des NS-Regimes und dem Revisionismus, fehlt meines Erachtens allerdings eine deutliche Darstellung des Hauptgrundsatzes rechtsextremen Denkens, dem (biologistischen) Rassismus.

Verwendete Quellen:
Borgman, Malte: Interview mit Sookee. In: Bayrischer Rundfunk (Puls).21.03.2017.
URL: www.br.de/puls/musik/aktuell/interview-sookee-100.html