Ein Beitrag von Laura Visca (Q2).
Am 04. Januar 2018 besuchte unser Deutsch-Leistungskurs die Ausstellung „Benjamin und Brecht – Denken in Extremen“ in der Akademie der Künste. Da zu unserem Kurs zwei blinde Schülerinnen gehören und diese Ausstellung speziell für sehbehinderte Menschen gemacht wurde, nahmen wir das zum Anlass, uns auf eine Zeitreise der Freundschaft von Brecht und Benjamin zu begeben. Auf diese wurden wir von drei Führer*innen und vier Schauspieler*innen mitgenommen. Die Führer*innen informierten uns über die spezielle Freundschaft der beiden Autoren, aber auch über ihre Freunde, von denen nicht alle angetan von der Bekanntschaft schienen und dies in Briefen mitteilten. Diese Briefe wurden uns von den Schauspieler*innen vorgetragen. So schrieb Theodor W. Andorno: „Unter Brechts Einfluss treibt Benjamin nur dumme Dinge“.
Die Führung begann mit der Vorstellung des Künstlers Brecht und des Kunstkritikers Benjamin. Bertold Brecht (1898-1956) und Walter Benjamin (1892-1940) verband eine spezielle und dennoch innige Freundschaft. Der eine ist bekannt als einer der bedeutsamsten Dichter des 20. Jahrhunderts, der andere ein rational denkender Kritiker. Beide interessierten sich für Literatur, Kultur, Politik und Kunst. Gerne stritten sie auch über diese Themen, denn „deren Freundschaft war sozusagen asymmetrisch“, so Günther Anders.
Was Brecht und Benjamin jedoch am meisten verband, war die Tatsache, dass sie wegen des NS-Regimes ins Exil gehen mussten. So trifft das Sprichwort „geteiltes Leid, ist halbes Leid“ wohl sehr gut auf den Kommunisten Brecht und den, in einer jüdisch assimilierten Familie aufgewachsenen, Benjamin zu.
Gerüstet mit diesem Vorwissen begaben wir uns vom ersten in den zweiten Ausstellungsraum. Dort berichtete man uns zunächst von einem gemeinsamen Hobby der beiden: dem Schachspielen. Eine Partie der klugen Männer wurde einst per Foto dokumentiert und festgehalten. Dies nahm die Akademie der Künste zum Anlass, dieses Schach-Duell nachzustellen. Dabei war festzustellen, dass auch Benjamin und Brecht nicht alles perfekt beherrschten, da die Züge nicht wirklich raffiniert waren.
Der Hauptausstellungsraum war wie eine Bibliothek aufgebaut. Er zeichnete sich durch eine hohe Decke und den hohen, für Bibliotheken typischen Bücherregalen aus, die so aufgestellt wurden, dass Bibliotheksgänge entstanden. Jeder Gang der Bibliothek beschrieb den Austausch über ein bestimmtes Thema, das den Dichter und den Kritiker beschäftigte. So tauschten sich die beiden z.B. über die damaligen Entwicklungen in Russland, den Autor Kafka und den Psychologen Freud aus. Wie sehr sich die beiden in diesen Themengebieten verlieren konnten, sahen wir daran, dass Brecht beispielsweise ein Gedicht über politische Entwicklungen in Russland schrieb oder seinen Schriftzug unter einer Kafka-Ausgabe hinterließ. Briefe, die sich Brecht und Benjamin schickten, wurden bei jeder Station der Zeitreise von den Schauspielern vorgetragen, was die Führung sehr lebendig machte und uns den Charme der alten Sprache aufzeigte. Am Ende der Bibliothek angekommen, endete auch das Leben des Walter Benjamin, der sich beim Versuch von Frankreich nach Spanien bis nach Portugal zu fliehen, um von dort in die USA zu kommen, das Leben nahm. Erst zehn Monate später erfuhr Brecht vom Tod seines Freundes, als er schon im Exil in den USA lebte. Brecht war erschüttert. Er verarbeitete seine Trauer in Briefen, die er an seinen toten Freund schrieb. Sie erinnern schon fast an einen Liebesbrief: „Selbst der Wechsel der/ Jahreszeiten/ rechtzeitigt erinnert/ hätte ihn zurückhalten/ müssen/ der Anblick neuer Gesichter/ und alter auch/ neuer Gedanken Heraufkunft/ und neuer Schwierigkeiten“ (Bertolt Brecht – WB). Die Freundschaft reichte über den Tod hinaus. So auch die Führung.
Neben dem Austausch zwischen Brecht und Benjamin waren auch eine Kriminalgeschichte, die sie zusammen geschrieben hatten, und ein Haus, das vollständig mit Zeitungen aus dem 20. Jahrhundert beklebt war, zu betrachten. Als die Führung vorbei war, hatten wir noch Gelegenheit, uns die restliche Ausstellung anzusehen. So waren beispielsweise noch zeitgenössische Texte und Kommentare über die Freundschaft der beiden um die Ausstellung herum angeordnet. Diese Texte sollten verdeutlichen, dass die Lebenswerke des Dichters und des Kritikers immer noch Nachklang haben und von Bedeutung sind.
Zusammenfassend lässt sagen, dass der Besuch in der Akademie der Künste sehr informativ war, auch wenn wir uns teilweise von der Fülle der vielen Informationen und der sehr gehobenen, poetischen Sprache erschlagen gefühlt haben. Dadurch, dass Benjamin und Brecht durch die Schauspieler in gewisser Weise wieder zum Leben erweckt wurden, war es trotz der vielen Informationen erfrischend anders und keinesfalls langweilig. Hinzu kommt natürlich die Tatsache, dass es für Blinde sehr angenehm ist, die Stimmen der Schauspieler zu hören und bestimmte Artefakte ertasten zu können. Des Weiteren fanden wir es gut, dass die Führung nicht mit dem Suizid Benjamins endete. Denn auch wenn es Benjamin nicht mehr gab, existierte die Verbindung zwischen ihm und Brecht über dessen Tod hinaus. Deshalb hätten wir gerne mehr zur heutigen Relevanz der beiden erfahren und es begrüßt, wenn der Aspekt der Bedeutung für die Welt nach Benjamin und Brecht eine Rolle in der Führung gespielt hätte.