Allgemein, Deutsch

Politisch fragwürdige Begriffe in Kinderliteratur (II)

Eine Stellungnahme von Nina Michel (Q2). Dieser Artikel entstand im Rahmen des Grundkurses Deutsch (Kursleitung: Fr. Lemme).

In Klassikern der Kinderliteratur werden heutzutage immer noch rassistische Begriffe verwendet. Entwickeln wir uns zu Rassisten, wenn wir diese Bücher lesen?                                                                                                                                                 

Seit Langem wird heiß diskutiert, ob rassistische Begriffe in Klassikern der Kinderliteratur verbleiben, durch politisch korrekte Begriffe ersetzt oder gekennzeichnet und kommentiert werden sollten.

Der Begriff „Klassiker der Kinderliteratur“ bezeichnet Bücher, die vielen Kindern vorgelesen werden. Diese Bücher sind in den letzten Jahrzehnten berühmt geworden und über mehrere Generationen hinweg beliebt geblieben; wie zum Beispiel „Pippi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren. Ein Wort, das in dieser Debatte auch häufig verwendet wird ist Rassismus. Rassismus bedeutet, dass eine Gruppe von Menschen, die eine andere Herkunft oder ein anderes Aussehen haben, aufgrund dessen politisch und sozial unterdrückt, ausgeschlossen und diskriminiert werden.

In der Debatte werden drei Positionen deutlich. Die erste besagt, dass die Begriffe einfach in den Büchern verbleiben sollen und der Wortlaut in den Geschichten somit nicht verändert wird. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Begriffe durch politisch korrekte Bezeichnungen ersetzt werden sollten, wie zum Beispiel „Negerkönig“ durch „Südseekönig“. Also für bestimmte Begriffe sollen Synonyme gefunden werden. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass die Begriffe kommentiert stehen gelassen werden. Das bedeutet, dass die rassistischen Ausdrücke gekennzeichnet und in einer Fußnote erklärt werden.

Zunächst einmal sollte man sich bewusst machen, dass Klassiker der Kinderliteratur wie „Pippi Langstrumpf“, Zeitzeugnisse sind, die Autor*innen vor Jahrzehnten geschrieben und die zu ihrer Zeit passenden Begriffe verwendet haben. Wenn wir diese Begriffe heutzutage ersetzen würden, verfälschen wir diese Kunstwerke und zensieren sie für die Nachwelt.

Ein weiteres Argument, das die Menschen anführen, die die ursprünglich rassistischen Bezeichnungen in den Büchern beibehalten wollen, ist, dass diese Begriffe keinerlei Auswirkungen darauf haben, wie sich Kinder entwickeln und ob sie später fremdenfeindlich werden. Der Autor Jacques Schuster schreibt in seinem Artikel: „Lasst das „Negerlein“ und traut euren Kindern!“, dass Kinder keine rassistischen Ansätze entwickeln, weil sie politisch unkorrekte Bezeichnungen in Büchern gelesen haben, sondern weil sie in einem von Vorurteilen geprägten Umfeld aufgewachsen sind.

Viele Kritiker des Vorschlages, die Bezeichnungen zu ersetzen, meinen auch, dass Synonyme die Bedeutung einer Geschichte verändern könnten. Hierfür führt Kathrin Wenz das Beispiel „Haus“ an. Wenn man sich die Synonyme dafür anschaut, merkt man, dass der*die Leser*in bei dem Ausdruck „Schloss“ an etwas anderes denkt, als bei der Nutzung des Nomens „Hütte“. Mit dieser Begründung behauptet sie, dass das Gleiche bei Kinderbüchern auch geschehen würde.

Doch natürlich sprechen auch viele Argumente gegen einen Verbleib solcher Begriffe in den Klassikern der Kinderliteratur.

Angenommen, man ersetzt solche Begriffe in Büchern, dann stellt man sicher, dass die Kinder die Begriffe nicht falsch aufnehmen oder gar als positives, ganz normales Wort ansehen. Sobald man die Wörter jedoch nur kennzeichnet und sie erläutert, kann man zwar versuchen, Eltern dazu zu bringen diese zu erklären, man kann sich jedoch nicht zu einhundert Prozent sicher sein, dass sie dies auch tun. Dazu kommt vermutlich auch noch, dass viele Eltern erleichtert sein werden, wenn sie diese Begriffe ihrem Kind nicht erklären müssen, sondern einfach ein Synonym vorlesen können.

Durch rassistische Begriffe in Klassikern der Kinderliteratur, werden heutzutage vermutlich viele sensible Eltern ihren Kindern die Bücher nicht vorlesen, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder mit rassistischen Begriffen konfrontiert werden.

Zum Beispiel stellt der Begriff „Neger“  farbige Menschen gegenüber weißen Menschen als minderwertig dar und hat eine beleidigende Wirkung. Durch die Ausdrücke können farbige Menschen sich nicht nur angegriffen und herabgesetzt fühlen, sondern auch verletzt. Laut der Autorin Simone Dede Ayivi werden farbige Menschen in diesem Punkt nicht in die Gesellschaft integriert.

Ich bin ich der Meinung, dass rassistische Begriffe in Klassikern der Kinderliteratur ersetzt werden sollten. Kinderbücher müssen für die ganze Bevölkerung schöne Erinnerungen an die Kindheit widerspiegeln und niemand sollte sich durch sie angegriffen, diskriminiert oder minderwertig fühlen.

Verwendete Quellen [Letzter Zugriff jeweils am 17.02.2018.]:
[1] Ayivi, Simone Dede: Rassismus in Kinderbüchern. Wörter sind Waffen. In: Tagesspiegel.de. 18.01.2013.
URL: www.tagesspiegel.de/kultur/koloniale-altlasten-rassismus-in-kinderbuechern-woerter-sind-waffen/7654752.html
[2] Freund, Wieland:  Streicht das „Negerlein“ und rettet die Kunst! In: Welt.de. 11.01.2013.
URL: http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article112693617/Streicht-das-Negerlein-und-rettet-die-Kunst.hyml?config=Print
[3] Hein, Jakob: Rassistische Begriffe in Kinderbüchern. Werte und Worte. In: Taz.de. 15.01.2013.
URL: http://www.taz.de/!5075360/
[4]Martenstein, Harald: Rassismus in Kinderbüchern. Achtung, Zensur. In: Tagesspiegel.de. 20.01.2013. URL: www.tagesspiegel.de/meinung/rassismus-in-kinderbuechern-achtung-zensur/7658452.html
[5] Nöstlinger, Claudia:  „Meine Enkelin speit, wenn sie zur Schule muss“ . Interview von  Barbara Nolte. In: Tagesspiegel .de. 27.01.2013.
URL: www.tagesspiegel.de/kultur/literatur/kinderbuchautorin-meine-enkelin-speit-wenn-sie-zur-schule-muss-/7690318.html
[6] Schuster, Jacques: Lasst das „Negerlein“ und traut euren Kindern! In: Welt.de. 11.01.2013. URL: www.welt.de/kultur/literarischewelt/article112693503/Lasst-das-Negerlein-und-traut-euren-Kindern.html?config=Print
[7] Spreckelsen, Tilman: „Kleine Hexe“ ohne „Negerlein“ : Wir wollen vorlesen und nichts erklären müssen. In: FAZ.net. 09.01.2013.
URL: www.faz.net/aktuell/feuilleton/kleine-hexe-ohne-negerlein-wir-wollen-vorlesen-und-nichts-erklaeren-muessen-12019434.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
[8] Wenz, Kathrin:  „Negerkönig“ oder Südseekönig? Begründung aus semantischer Perspektive. In: Blog des Promotionskollegs im Projekt ‚Europäische Sprachkritik Online (ESO)‘. Datum unbekannt.
URL: blog-eso.de/?p=16