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Freiwilliges Soziales Jahr – gibts das auch für Politik?

Ein Beitrag von Antonia Müller, Abiturientin der Fichtenberg-Oberschule im Jahrgang 2015-2016. Dieser Beitrag wurde in ihrem Politblog  politisches-leben.de am 18. August 2017 erstveröffentlicht.

Jeder kennt das Freiwillige Soziale Jahr. Ob in sozialen Einrichtungen, z.B. in Kindertagesstätten, Behindertenheimen oder in Altenpflegeeinrichtungen, in kulturellen Einrichtungen wie Jugendkulturzentren, Musikschulen, Theatern oder Museen, in Sportvereinen oder in der Denkmalpflege. Es ist die perfekte Möglichkeit, um sich ein Jahr zu orientieren, das auszuprobieren, von dem man denkt, dass es der Traumberuf wäre und trotzdem noch einen kleinen Obolus dafür bekommen.
Das Ganze dient zwar nicht dem großen Reichtum, dafür ist aber auch nicht gedacht. Man soll als junger Mensch etwas für die Gesellschaft tun, neue Leute kennenlernen und in einen Themenbereich reinschnuppern.

Doch was, wenn man dieses FSJ im politischen Bereich absolvieren will? Ich selbst habe mich letztes Jahr dazu entschieden, mich dieser Sache anzunehmen.

Der Träger ist die ijgd. Im Alter von 16 bis 26 Jahren ist man berechtigt, solch ein FSJ zu absolvieren.

Neben der eigenen Weiterentwicklung, der Überprüfung des eigenen Berufswunsches, dem Kennenlernen neuer Leute, mehr Selbstbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein, lässt dich ein FSJ im Politischen Bereich selbst aktiv werden und politisch handeln, Politik besser verstehen, Strukturen, Aufgaben und Arbeitsabläufe kennenlernen und Respekt und Toleranz gewinnen.

Die möglichen Einsatzstellen sind: 

  • politische Stiftungen
  • Ausschüsse, Verwaltungen und Gremien der Landes- und Kommunalparlamente
  • Ämter der Kommunalverwaltung, Bürgerbüros, Ausländerräte
  • Kommunalverbände
  • Körperschaften öffentlichen Rechts
  • öffentlich-rechtliche Medien, Jugendpresse
  • Strukturen der Sozialverbände und kirchlichen Verbände
  • Einrichtungen der überparteilichen Bildung
  • politische Fraktionen des Landtags
  • Menschenrechtsorganisationen

Momentan wird das FSJ Politik/Demokratie in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Berlin und Brandenburg angeboten. Meiner Meinung nach, ist es ein Versäumnis, dass es nur in diesen Bundesländern durchgeführt werden kann.

Es wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Ministerium für Gesundheit und Soziales Sachsen-Anhalt sowie das Sozialministerium Mecklenburg Vorpommern und durch ESF-Mittel.

Wie erwähnt, geht es dabei ja um das freiwillige Engagement, weswegen die Bezahlung recht klein ist. Es gibt ein monatliches Taschengeld und Verpflegung (bzw. ein entsprechender finanzieller Ausgleich).

Man hat einen Urlaubsanspruch von 26 Tagen. Des Weiteren werden beide Anteile der Sozialversicherung (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) übernommen. In der Regel gibt es auch einen Anspruch auf Kindergeld.

Praktischerweise kann dieses FSJ auch an einigen Universitäten angerechnet werden, sollte man auch einen Studiengang in diesem Bereich beabsichtigen.

Bewerben kann man sich beim Träger, der ijdg in Berlin. Es gibt ein Online-Bewerbungsformular, das man mit einigen anderen Daten versenden soll. Es gibt auch einen kleinen Informationsflyer.

Meine eigene Erfahrung mit dem FSJ Politik/Demokratie

Nach meinem Abitur im Jahr 2016 war mir zwar klar, was ich studieren wollte, nur an der Umsetzung haperte es. Denn der NC für Politikwissenschaften ist in und um Berlin einfach zu hoch für mich gewesen. Also dachte ich, dass es die beste Alternative für mich wäre, ein FSJ in der Politik zu absolvieren.

Ich war spät dran, schickte meine Bewerbungsunterlagen im Juli 2016 zum Träger und wurde auch direkt zu einem Kennenlerntag in deren Büro eingeladen.

Wir waren insgesamt zehn Jugendliche, die dort saßen, sich Informationen zum FSJ im Allgemeinen, aber auch zu möglichen Einsatzstellen anhörten. Ich gehört zu den wenigen, die noch nicht untergekommen waren. Da wusste ich aber auch noch nicht, wie kompliziert es werden würde, denn mir war klar, dass ich nur direkt in die Politik wollte. Also in den Bundestag. Fast alle Abgeordneten, die ein FSJ anboten, waren vergeben, so machte ich mich selbst auf die Suche.

Und es hagelte bergeweise Absagen. Teilweise wird es an mir gelegen haben, das lässt sich nicht in Abrede stellen. Aber es lag auch an der anderen Seite, denn kaum jemand war bereit dazu, Geld für einen Freiwilligen auszugeben. Das hat mich schockiert. Denn eigentlich wäre ich eine billige Arbeitskraft gewesen, 40 Stunden die Woche, 326€  Vergütung im Monat (Meiner Erinnerung nach)  plus die Versicherungen. Besonders in der Politik hätte ich erwartet, dass man sich über mein Engagement freuen würde.  Ich habe meine parteilichen Präferenzen dann sausen lassen und mich überall beworben. Und trotzdem ging ich am Ende leer aus.

Ich muss jedoch betonen, dass der Träger wirklich versucht hat, mich unterzubringen, mir Kontakte vermittelt und bei der Bewerbung geholfen hat. Doch mein Ziel war dann wohl doch zu hoch, obwohl ich bereits in einem Landtag gearbeitet hatte.

Ich kann euch also nur raten, euch früh genug zu informieren.  Sucht euch eure möglichen Einsatzstellen vorher aus und informiert euch über die Möglichkeiten. Der Träger wird euch dabei zur Seite stehen.  Ich denke, je eher man sich informiert und bewirbt, desto höher sind die Chancen zum Beispiel auch in den Bundestag zu kommen.

Im Endeffekt bin ich einige Zeit später doch noch unterkommen. Ich begann ein Praktikum beim SPD-Parteivorstand. Dort durfte ich drei Monate in meiner Wunschabteilung arbeiten. Ich war in der Abteilung II – Politik, der Abteilung die maßgeblich am Wahlprogramm und den Inhalten der Partei beteiligt ist und war.

Ich arbeitete im Referat Kulturelle Moderne, welches unter anderem für die Arbeit der SPD-Grundwertekommission, der Historischen Kommission beim SPD-Parteivorstand, den Bereich Ostdeutschland und viele weitere Bereiche zuständig ist.

Meine Aufgaben waren enorm vielfältig, vom klassischen Recherchieren und Antwortentwürfe-Verfassen über die Vorbereitung und Begleitung von Sitzungsterminen und Veranstaltungen (hier findet ihr Infos über die Veranstaltung, für die ich am meisten gearbeitet habe) sowie die Ausschreibung des Regine-Hildebrandt-Preises, bis hin zum Lektorat von Veröffentlichungen der Grundwertekommission oder der Gestaltung und inhaltliche Pflege von Internetseiten war echt alles dabei.

Nicht nur, dass ich immer etwas zu tun hatte und mich wie ein vollwertiges Mitglied der Abteilung gefühlt habe, auch die Mitarbeiter selbst waren alle total aufgeschlossen und lieb zu mir. Die Hierarchien innerhalb meiner Abteilung waren ungewohnt flach, unter Genossen wird sich ja grundsätzlich geduzt. Und ich war nicht die Einzige, die sich in jungem Alter dafür interessiert, wie die Arbeit in einer Partei ist. Sowohl vor als auch nach mir kamen neue Praktikant*innen und auch während meiner Zeit dort war ich nicht alleine. Es gab noch eine weitere Praktikantin sowie diverse Student*innen in meiner Abteilung.

Nach meinen drei Monaten bei der SPD war ich regelrecht traurig, gehen zu müssen. Ich hatte sehr viel Spaß bei der Arbeit, habe interessante neue Leute kennengelernt, Martin Schulz persönlich getroffen, konnte Miterleben, wie das Wahlprogramm entstand und habe für mich selbst eine Entscheidung getroffen – Ich werde irgendwann wiederkommen.

Für alle, die Interesse an einem Praktikum bei der SPD haben, geht es hier lang. Und man kann sogar eine Ausbildung zum*r Bürokaufmann*frau machen, die jeweils zum 1. August des Jahres startet.