Abi - und was dann?, Allgemein

„Irgendwie die Welt verändern“ (Teil 1)

Ein Beitrag von Lisa Rosenbaum, Abiturientin der Fichtenberg-Oberschule des Jahrgangs 2015. Teil 2 finden Sie hier.

Vorbemerkung der Autorin: Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass alle hier geschilderten Erfahrungen und Einschätzungen lediglich meine Ansicht wiedergeben. Sie sollen weder ein zu befolgendes Beispiel noch eine abschreckende Darstellung sein. Jeder junge Mensch muss seine ganz eigenen Erfahrungen sammeln und individuelle Schlüsse daraus ziehen.

„Irgendwie die Welt verändern“- das war mein leicht naives Ziel nach meinem Abitur vor drei Jahren an der Fichte. „Aber erst einmal durchatmen nach G8.“ Ich war frisch 18 Jahre alt und sah nicht die Notwendigkeit, nach zwölf Jahren Schule direkt mit einem Studium weitermachen zu müssen. Zudem hatten ältere Freund*innen mit Fotos von ihren Reisen eine Möglichkeit präsentiert, wie man ansonsten erstmal seine Zeit vertreiben könnte.

Ich fing deshalb im zweiten Halbjahr der elften Klasse an, mit dem Roller Pizza auszuliefern. Ich wollte schließlich frühzeitig anfangen, Geld beiseite zu legen, um mir nach meinem Abitur bis dahin unbekannte Teile dieser Welt anzuschauen. Hinzu kamen Babysitting und kleinere Aushilfsjobs in der Gebäudereinigung. Akribisch kalkulierte ich und rechnete mir aus, was ich monatlich in das Einmachglas für die kleine Weltreise gesteckt hatte. Mit den Abschlussprüfungen kamen jedoch auch der Abiball, der Abistreich, das Abidenkmal, die Abiturverleihung und alles weitere. Durch mein jahrelanges Engagement in der Schüler*innenvertretung und in verschiedenen AGs mischte ich auch dort in den Organisationsgruppen vorne mit. Als ich dann auf der Abiturverleihung mein Abitur in den Händen halten konnte und auch alles andere schon hinter mir lag, war ich richtig „urlaubsreif“.

Schon vorher hatte ich mir die grobe Route überlegt, Visa beantragt und Flüge gebucht. Es sollte nach Japan, Vietnam, Laos, Indien und Mexiko gehen. In Japan war mein damaliger Lebensabschnittsgefährte dabei, Vietnam und Laos nahm ich mir allein vor, um ihn dann in Indien wiederzutreffen und in Mexiko allein den „Día de los muertos“ – den mexikanischen Totentag – mitzuerleben. Ich hatte lang darüber nachgedacht, ob allein reisen am anderen Ende des Planeten wirklich eine kluge Idee sei. Doch wurde mir beim Surfen auf Kontaktwebseiten für Reisepartner*innen ziemlich schnell klar, dass einem dadurch sehr viel Gestaltungsfreiheit genommen wird. Leider hatte keine*r aus meinem bestehenden Freund*innenkreis dasselbe Vorhaben wie ich, weshalb ich mich sehr zügig mit dem Gedanken des Ein-Frau-Reisens angefreundet hatte.

Ende Juli 2015 ging es los. Das erste Ziel war Tokio. Drei Wochen verbrachte ich in dieser Metropole und ihrer Umgebung. Obwohl ich mein gesamtes junges Leben in Berlin gelebt hatte, war Tokio unglaublich überwältigend. Alles war überdimensional, bunt beleuchtet und mit unendlich scheinenden Menschenmassen gefüllt. Diese Umstände waren entgegen meiner Erwartung doch sehr ermüdend, sodass fast auf jeden erlebnisreichen Touri-Tag ein Erholungstag folgte. Ich besuchte das zweitgrößte Gebäude der Welt – den Sky Tree – und konnte so Tokio von oben bestaunen. Generell ist man dauerhaft mit unvorstellbar riesigen Einkaufszentren umhüllt und kommt gar nicht darum herum, durch diese zu wandern. Für alle Sushi-Liebhaber ist Tokio natürlich ein Paradies, da der Fisch tagesfrisch ist. Etwas, was dort sehr teuer ist, sind Unterkünfte. Gute Erfahrungen konnte ich mit einer Privatwohnungsvermittlung sammeln und alle paar Tage stand ein Umzug in ein anderes Stadtviertel an, um möglichst viel von der Großstadt zu sehen. Einer der Höhepunkte war ein Abendessen in einem Restaurant, das den giftigen Kugelfisch Fugu servierte.

Nach drei Wochen flog ich allein nach Hanoi in Vietnam. Die ersten Tage dort waren sehr schwierig. Ich fühlte mich verloren. Mir fiel es alles andere als leicht zu anderen Reisenden Kontakt aufzunehmen, obwohl ich in einem Backpacker-Hostel untergekommen war. Deshalb lief ich die ersten Tage stundenlang allein durch die Stadt und versuchte, mir einen ersten Eindruck zu verschaffen. Auffällig waren die kommunistische Symbolik von Hammer und Sichel, prächtige Häuser aus der französischen Kolonialzeit und die anhaltende Präsenz der Folgen des Vietnamkriegs. Ich beschloss nach einigen Tagen weiter in den Norden zu reisen, um dort eine Wandertour über ein paar Tage im Sapa-Gebirge zu machen. Diese Wandertour gehört zu den schönsten Momenten meiner Reise, weil sie von einer jungen Frau aus der Umgebung geführt wurde und sehr viel Einblick in die dortigen Lebensweisen bot. Danach ging es in den Phong Nha Ke Bang Nationalpark weiter, wo einmalige Tropfsteinhöhlen zu entdecken waren. Dort traf ich auf der Farm, wo ich unterkam, Tara aus der Schweiz und reiste mit ihr weiter. Wir besuchten Huê und Hoi An gemeinsam und ich empfand es als sehr schön jemanden zu haben, mit dem*r man sich über die vielen Eindrücke austauschen konnte. Unsere Wege trennten sich jedoch als ich nach Laos weiterzog.

Die Busreise von Vietnam nach Laos war der größte Gänsehautmoment auf meiner gesamten Reise. Fast einen vollständigen Tag verbrachte ich in einem Bus, der so überladen war, dass ich mich wunderte, dass er sich überhaupt fortbewegen konnte. Da kein Mensch in diesem Bus eine Sprache sprach, die auch ich beherrschte, war es ein nicht-enden-wollender Nervenkitzel voller dauerhafter Angst, mein Ziel nicht zu erreichen. Doch kam ich an meinem Ziel an (völlig übermüdet) und hielt mich in diesem Moment für den glücklichsten Menschen dieser Erde, da ich diese Reise unbeschadet überstanden hatte. In Laos besuchte ich im Süden die 4.000 Inseln im Mekong-Fluss an der Grenze zu Kambodscha und lernte auf dem Rückweg die US-Amerikanerin Amanda kennen, mit der ich fast meinen gesamten Laos-Aufenthalt verbrachte. Wir reisten gemeinsam von Stadt zu Stadt und teilen schöne Erinnerungen: Zum Beispiel an den Moment, an dem wir in einem Museum echte Dinosaurierknochen in die Hand gedrückt bekamen oder als wir zufällig ein Drachenbootrennen verfolgen durften. Am meisten haben mich in diesem Land die pompösen Tempel mit reichen Verzierungen beeindruckt. Sehr bedrückend war hingegen die Tatsache, dass Laos durch den Vietnamkrieg das meist bombardierteste Land der Welt ist und bis heute die ländliche Bevölkerung mit Blindgängern und verseuchtem Agrarland zu kämpfen hat.

Nach Laos sollte es eigentlich nach Indien gehen, doch fiel beim Zwischenstopp in Bangkok auf, dass man sich entgegen der eigenen Recherche vorher um ein Visum hätte kümmern müssen. Da meine geplante Begleitung dasselbe Problem hatte, die gebuchten Flüge verfielen und ich somit allein hätte weiterreisen müssen, entschied ich mich gegen einen Aufenthalt in Indien. Es ist vom heutigen Standpunkt schwierig in Worte zu fassen, warum ich damals frühzeitig nach Berlin zurückkehrte, doch riet mir mein Bauchgefühl vehement davon ab, meine eigentliche Planung stringent durchzuziehen. Ich denke bis heute, dass dies die beste Entscheidung war, die ich treffen konnte. Somit verbrachte ich ein paar Tage in Bangkok, sah mir die Stadt an und flog dann in die Heimat zurück.

Hier geht es zum zweiten Teil des Artikels.