Die Sammlung der Rotkäppchen-Varianten entstand im Deutsch Grundkurs des ersten Qualifikationssemesters (Q1) unter Leitung von Fr. Regenbrecht. Im dritten Teil der Veröffentlichung werden eine moderne sowie eine poetische Variante vorgestellt. Hier geht es zum ersten, zweiten, dritten und vierten Teil der Sammlung.
Es war einmal eine elegante grazile Tänzerin, die von jedem wegen ihres Tanztalents bewundert wurde. Ihr größter Fan war ihre Oma. Nachdem das Mädchen einen Wettkampf mit der Höchstpunktzahl in der Disziplin Ball gewann und sich damit für die Regios in München qualifizierte, schenkte die Oma ihr eine Samtmütze passend zu ihrem neuen maßgeschneiderten Anzug. Sie mochte diese Mütze so sehr, dass sie diese nicht mehr absetzte. Von dem Tag an wurde sie nur noch Rotkäppchen genannt.
Eines Tages sagte die Mutter zu ihr: „Komm Rotkäppchen, hier hast du deinen SASAKI Band, deine Pastorelli Gummikeulen und deinen Ball darfst du auch nicht vergessen. Geh zu deiner Oma und tanz ihr etwas vor, sie ist nämlich krank und schwach, du würdest ihr damit bestimmt eine große Freude machen. Pass aber auf, dass du nicht vom Weg abkommst, sonst könntest du dich verletzen, außerdem bekommst du, wenn du aus der Fläche gehst, auch immer zweieinhalb Punkte Abzug bei deiner B-Note. „Ich werde schon alles gut machen, wie beim Wettkampf“.
Die Großmutter aber wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf entfernt. Sobald Rotkäppchen das Haus verlassen hatte, begann sie mit der Choreografie. Sie nahm Schwung mit einem Chassé, warf den Ball drei Meter hoch und endete mit einem Jeté 180 Grad um den Ball dann zwischen ihren Beinen zu fangen. Nachdem sie ihren Ball mit einem Reh-Sprung wieder in den Händen hatte, folgte aus der vierten Position ein Demi-Plié und eine Doppel Attitude-Drehung, die sie mit einem Arabesque-Stand abschloss. Sie rollte dabei den Ball einmal von ihrem rechten Arm über die Schultern in ihre linke Hand. Sie hielt den Stand natürlich für drei Sekunden, damit er ihr anerkannt wird, streckte ihre Knie und schloss dann ihre Beine im Relevé. Sie war so vertieft in ihre Übungen, dass sie gar nicht merkte, dass sie einen heimlichen Zuschauer hatte. Als der Wolf aus dem Schatten des Baumes hervor trat, erschreckte sie so sehr, dass ihr ein Pflichtteil misslang und sie den Ball nach einem vorwärts Bogengang nicht auffing.
Nachdem sie den Ball geholt hatte, begrüßte sie der Wolf: „Guten Tag Rotkäppchen“.
„Schönen Dank, Wolf.“
„Wohin des Weges?“
„Ich gehe zu meiner Großmutter. Ihr Haus steht am Ende des Weges zwischen den zwei Eichen, sie ist krank“.
Der Wolf dachte bei sich: „ Das junge zarte Ding, das ist ein fetter Bissen. Der wird noch besser schmecken als die Großmutter. Aber du musst es listig anfangen, damit du beide kriegst“.
Wolf: „Ich habe in meinen jungen Jahren auch getanzt und könnte dir eine paar schöne Übungen zeigen, damit du deiner Oma noch mehr Freude bereiten kannst“. Rotkäppchen antwortete: „Vielen Dank, Wolf, ich weiß aber nicht, ob ich die Übungen auch hinbekommen werde“.
Wolf: „Du bist doch eine gute und talentierte Tänzerin. Mit ein wenig Übung wird das schon was“.
Dann nahm er sich den Ball und warf ihn in die Luft, machte ein Rad und fing ihn wieder zwischen den Beinen. Das Mädchen war ganz beeindruckt und versuchte es gleich selber. Der Wolf sah ihr bei den ersten Versuchen zu, gab ihr dann jedoch den Tipp es tiefer im Wald zu probieren, da der Boden dort durch das Moos besser gefedert sei. Rotkäppchen lief immer tiefer in den Wald auf der Suche nach der perfekten Stelle. Der Wolf aber ging unterdessen geradewegs zum Haus der Großmutter und klopfte an die Tür.
„Wer ist draußen?“
„Ich bin es, Rotkäppchen, mach auf!“
„Drück nur auf die Klinke“ ,rief die Großmutter, „ich bin zu schwach und kann nicht
aufstehen“.
Der Wolf drückte auf die Klinke und die Tür sprang auf. Er nahm Anlauf und landete nach einem dreifach Salto auf dem Bett der Großmutter. Er schleuderte sie wie eine Keule in die Luft über seinem Kopf und verschlang sie. Nachdem er ihre Kleidung angezogen hatte, setzte er sich ihre Haube auf und legte sich in ihr Bett.
Rotkäppchen hatte unterdessen fleißig weiter geübt, bis ihr die Übung des Wolfes gelang. Dann fiel ihr die Großmutter wieder ein und sie machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sie jedoch, dass die Tür offen stand, und wie sie in die Stube trat, so kam es ihr so seltsam darin vor, dass sie dachte: „ Ei du mein Gott wie ängstlich bin ich heute und ich bin sonst so gerne hier. Sie rief: „Guten Morgen“, aber sie bekam keine Antwort. Daraufhin drehte sie sich mit drei Pirouetten zum Bett. Da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gezogen und sah ziemlich wunderlich aus.
„Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!“
„Das ich den Rhythmus der Musik besser hören kann“.
„Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!“
„Damit ich sogar deine perfekt gestreckten Füße vom Publikum aus sehen kann“.
„Ei, Großmutter, was hast du für große Hände!“
„Damit ich besser applaudieren kann.“
„Aber Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!“
„Damit ich dich bessere fressen kann!“
Kaum hatte der Wolf das gesagt, macht er eine Rolle aus dem Bett und verschlang das arme Rotkäppchen. Nachdem der Wolf seinen Appetit gestillt hatte, machte er seine Lieblingsmusik an und verfiel gleich darauf in einen tiefen Schlaf und träumte von seiner Zeit als Tänzer.
Als jedoch der Jäger, auf dem Weg zu seinem Tanztraining war und am Haus der Großmutter vorbei kam, wunderte er sich über die laute Musik und dachte bei sich: „Ein wenig Aufwärmung mit Batments und Ausfallschritten können nicht schaden“. Da trat er in die Stube und wie er vor dem Bett stand, sah er den Wolf
„ Finde ich dich hier, du alter Tänzer, ich habe dich lange gesucht!“
Nun wollt er seine Keulen zu Hand nehmen und den Wolf erschlagen, da fiel ihm ein, dass der Wolf die Großmutter gefressen haben könnte und sie noch zu retten sei. Er nahm eine Schere zu Hand und fing an dem schlafenden Wolf den Bauch aufzuschneiden. Sowie er ein paar Schnitte getan hatte, da sah er das rote Käppchen leuchten und noch ein paar Schnitte, da sprangen das Mädchen und die Großmutter exakt synchron mit einem Schersprung aus dem Bauch des Wolfes. Rotkäppchen rief: „Ach, wie war ich erschrocken. Es war so dunkel in dem Wolf“.
Sie fesselten den Wolf mit Rotkäppchens SASAKI-Band und füllten seinen Bauch mit Gymnastikbällen.
Als der Wolf nun aufwachte, wollte er davon laufen, doch er sank zu Boden. Da waren alle drei erleichtert. Als der Jäger ging, nahm er den bewusstlosen Wolf mit. Nachdem der Jäger und der Wolf verschwunden waren, führte Rotkäppchen die nun noch verbleibenden Übungen ihrer Choreografie mit den Gummikeulen auf. Daraufhin ging es der Großmutter gleich viel besser. Rotkäppchen aber dachte sich: „Du wirst dein Lebtag nicht wieder allein vom Weg ab in den Wald tanzen, wenn dir’s die Mutter verboten hat.